Oper Warum Pamina mit dem Messer durch die Stadt läuft
Der Filmemacher Jörn Hartmann dreht in Wuppertal Videos für die „Zauberflöten“-Inszenierung der Oper.
Die Perücken machen mit den meisten Ärger. Die Akteure müssen ihre Haare waschen, bevor und nachdem sie sie getragen haben. Eine der vielen Hürden, die die Coronakrise in den Weg gestellt hat. Die Hygienemaßnahmen engen Jörn Hartmanns persönliche Freiheit ganz schön ein, nicht aber die seiner Kreativität. Der Berliner Filmemacher dreht für „Die Zauberflöte“-Inszenierung von Bernd Mottl Videos. 17 sollen es werden, von 20 Sekunden bis acht Minuten Länge. Ein Drittel der Aufführung werden sie ausmachen, nicht als Ergänzung, sondern als wichtiges Erzählformat, das auf eine bühnenfüllende Gaze projiziert wird, vor der die Sänger agieren. Am 13. September will die Wuppertaler Oper mit Mozarts Klassiker ihre neue Spielzeit eröffnen.
„Die Märchenbraut“ ist eine tschechoslowakische Fantasy-Kinderserie, die in den 1980er Jahren auch das deutsche Fernsehpublikum begeisterte. Das Besondere daran: Figuren aus dem Märchenreich tauchten in der Gegenwart auf. Eine Idee, die nun auf die Wuppertaler Zauberflöte übertragen wird. Heißt: Das Bühnengeschehen wird über Filmaufnahmen in der Stadt fortgesetzt und wandert wieder zurück. So werden Protagonisten aus der Oper „rausgeschmissen“ und müssen sich im Wuppertal des Jahres 2020 behaupten – am Grill vor dem Opernhaus oder als Straßenpuppenspieler am Hauptbahnhof.
Eine verwirrende Vorstellung, die wunderbar zum rätselhaften Singspiel Mozarts passt, das dieser 1791 schuf. Für Jörn Hartmann zudem eine persönliche Herausforderung. Er sei eigentlich kein Freund von Videos in Opern, erklärt der 56-Jährige, sie störten Musik und Live-Erlebnis. Weil er die Oper liebt, will er seine Arbeit interessant gestalten und nicht zuletzt sich selbst umstimmen.
Hartmann stammt aus Osnabrück, lebt aber seit mehr als 30 Jahren in Berlin. Zum Film kam der Fotograf 1995 als Quereinsteiger. Er schätzt besonders die Lebendigkeit und Spontaneität des Mediums, liebt Dokumentationen, begleitet mit der Kamera immer wieder Ensemblemitglieder der Komischen Oper Berlin, für die er seit fünf Jahren arbeitet. Viermal nahm der Filmemacher an der Berlinale teil, für Mottl hat er schon in Köln und Hannover gearbeitet. Der Theater-Regisseur holte ihn nun nach Wuppertal, wo er im November mit den Film-Vorbereitungen begann. Die Stadt war für Hartmann keine Unbekannte, dennoch entdeckte er viele neue Ecken auf seiner Suche nach geeigneten Drehorten. „Wuppertal hat viele tolle Locations und Fotomotive, das erinnert mich an Berlin, wie es früher war. Leider wird da mittlerweile alles zugebaut“, sagt er.
Mitte Juni wurde mit den Dreharbeiten begonnen. Unter den erschwerten Bedingungen der Coronakrise. Viel an der frischen Luft und mit geändertem Zeitplan – schwierigere Aufnahmen wurden hinter die Sommerpause ab 13. August verlegt, in der Hoffnung, dass mehr erlaubt ist als jetzt. Gelöst werden müssen vor allem logistische Probleme. „Das beginnt mit der Maske und endet mit dem Transport zum Drehort“, erklärt Hartmann. Wenn vier Darstellerinnen im Mozartlook gestylt werden müssen, dehnen die Hygienevorschriften die Zeit in der Maske für jede auf zwei Stunden aus. Außerdem verträgt sich der Nasen-Mund-Schutz nicht so gut mit der weißen Schminke im Gesicht und es muss für den Transport pro Person ein Taxi eingesetzt werden.
Wuppertal hat viele tolle Locations und Fotomotive
„Wir müssen viel mehr Zeit einplanen, haben aber nur sechs bis acht Wochen“, so Hartmann. Dass man dennoch im Zeitplan sei, liege am tollen engagierten, konzentrierten und kooperativen Team. Dazu gehören neben dem Ensemble viele Statisten aus Opern- und Projektchor. Manchmal werden auch über Soziale Medien Protagonisten gezielt gesucht. Etwa für einen Flashmob auf der Hardt, bei dem sich Paare küssen sollten.
Kooperativ erlebt Hartmann auch die Behörden, wenn für einen Dreh Pamina (alias Ralitsa Ralinowa) im Rokkoko-Outfit und mit einem Dönermesser (und Filmcrew) durch die Stadt läuft, um ihrem Liebeskummer ein Ende zu bereiten. Schließlich auf einer giftgrünen Fußgängerbücke über die Wupper im Bayer-Werk aufgibt. Eine Brücke, die auf der Bühne der Oper nachgebildet ist. Wie auch der Grill, von dem das Messer stammt. Nahtloser Übergang der Filmaufnahmen ins Bühnengeschehen der Oper. Wohin die Figuren – wie beim tschechischen Film – (zum Glück) immer wieder zurückkehren.