Ab Herbst 2021 ist der Grazer Patrick Hahn Generalmusikdirektor des Sinfonieorchesters Wuppertal Beim Sinfoniekonzert im Januar sprang der Funke über
Die Superlative überstürzen sich: Wuppertal bekommt den jüngsten Generalmusikdirektor Deutschlands, einen Senkrechtstarter, der frische und lebendige Konzerterlebnisse bewerkstellige. Der Grazer Patrick Hahn wird in diesem Monat erst 25 Jahre alt.
Mit den Begriffen kann er wenig anfangen, weil Leistung zähle, sagt er und er die Erfahrung gemacht habe, dass grade große Orchester seinem Alter keine Bedeutung beimessen, „sondern sofort merken, ob ich was zu sagen habe und das auch rüberbringe“.
Musikalisch vorbelastet ist Patrick Hahn nicht, die Eltern sorgten aber dafür, dass er und seine zwei Brüder den Volksmusikchor besuchten und ein Instrument lernten. Er aber sei der einzige, der Feuer fing, der das Singen und Zusammensein mit den Grazer Kapellknaben einfach genoss. Nach einer „Zauberflöten“-Inszenierung beschlossen der Zwölfjährige und seine Chorfreunde, sich eine eigene Oper auszudenken. Er selbst übernahm die Vertonung des einstündigen Singspiels und dirigierte schließlich ein Orchester aus 35 Laien- und Profimusikern. „Da war mir klar, dass ich Musiker werden wollte.“
Wenige Jahre später verschob sich dann der Schwerpunkt vom Klavier zum Taktstock. Die richtige Entscheidung: Hahns dynamischer Stil kommt an. Die Attribute treffen zu, bestätigt der junge Mann, aber sie seien subjektiv wie die Musik selbst. Er werde nicht „nur um eines Novums willen etwas Verrücktes machen“ oder nur einfach schnell sein. „Ich versuche, eine bestimmte Energie auf die Bühne zu bringen.“ Ein guter Dirigent müsse psychologische Fähigkeiten haben, sich auf Musiker und Musik einstellen, flexibel sein und nicht die eigene Idee vom Stück auf Biegen und Brechen durchsetzen wollen.
Im Januar stand Hahn erstmals auf der Bühne der Historischen Stadthalle, vor ihm das Sinfonieorchester. Ein von Generaldirektorin Julia Jones geplantes Konzert im Spielplan, das sich als glückliche Fügung erwies. Weil der junge Mann so gut ankam, dass danach Musiker auf ihn zukamen und darauf hinwiesen, dass demnächst die Generalmusikdirektorenstelle frei werde. Und weil er selbst die hohen Qualitäten des Orchesters und einen der schönsten Konzertsäle für sich entdeckte. Mit der Nachfolge von Julia Jones tritt er einen Job an, der gerne mal mit dem einer eierlegenden Wollmilchsau verglichen wird. Was den jungen Mann nicht schreckt. Das sei er schon gewöhnt, weil er immer alles gemacht und ausprobiert habe. Und: „Nun glaube ich, dass ich dazu bereit bin.“
Musiker machten ihn auf frei werdende Stelle aufmerksam
Also bewarb sich der Grazer, das Probedirigat hatte er quasi absolviert. Dass dennoch erst jetzt die Entscheidung fiel, hängt mit den Finanzproblemen der Bühnen, dem coronabedingten Lockdown und dem Wunsch des Aufsichtsrates zusammen, auch zwei weitere Kandidaten kennenzulernen. Gleichwohl schloss er sich einstimmig dem Votum der Findungskommission an.
Gedanken über künftige Spielpläne hat sich Hahn bereits gemacht. So will er natürlich die Klassiker weiterspielen, dabei auch gerne Naturinstrumente einsetzen. Darüberhinaus aber auch Komponisten zu Gehör bringen, die von den Sinfonikern in den letzten 20 Jahren kaum oder gar nicht gespielt wurden. Charles Ives und Alfred Schmittke sind gesetzt. Auf die Frage, wie er es mit der Anwesenheit in Wuppertal halten will – seine jüngsten Vorgänger, Julia Jones und vor allem Toshiyuki Kamioka, waren immer wieder über längere Zeiträume weg – antwortet er, dass er eine gute Mischung anstrebe. Vor allem zu Beginn wolle er viel in der Stadt sein, auch Einführungen und Vorträge geben. Außerdem denke er an Dirigate bei anderen, im Idealfall größeren Orchestern, was fürs Renommee Wuppertals gut sei. Derzeit werde überlegt, wann er in der nächsten Spielzeit in der Stadthalle auftrete.
Wuppertals Kultudezernent Matthias Nocke wiederum freut sich über die geglückte Personalie, betont, dass Wuppertals Orchester und Stadthalle sehr gute Adressen seien. Hahn sei zwar jung und zugleich schon international anerkannt, könne hier aber weiter reifen: „Die Umstände haben einfach gepasst. Wie heißt es so schön: Gesucht und gefunden.“