Open Air Kino Talflimmern: mehr Qualität – weniger Gäste

Trotz Corona gibt es 23 Filmabende im Open Air Kino in der Alten Feuerwache. Der erste findet am 3. Juli statt.

„Der Marathon-Mann“ mit Dustin Hoffman wird der erste Film beim Talflimmern dieses Jahr.

Foto: Paramount

Mark Tykwer ist wieder entspannt. Die zehn Tage vor dem dritten Juni-Wochenende seien so anstrengend gewesen wie sonst ein ganzer Monat Arbeit. Nun aber steht das Programm, startet am Freitag, 3. Juli, die 19. Ausgabe des Open Air-Kinos „Talflimmern“ im Innenhof der Alten Feuerwache. Mit 23 Filmabenden und kleinen Reduzierungen, mit umfangreichen Schutzmaßnahmen und maximal 75 Besuchern pro Vorstellung. Dabei konnten die Vorbereitungen erst spät starten, nachdem der Lockdown auch das Organisationsteam um Tykwer dazu gebracht hatte, das Festival abzuschreiben: „Wir hatten gedacht, dass die Pandemie die Veranstaltung 2020 vermutlich komplett verschlucken würde.“ Nun aber heißt die Botschaft: „Das Kino lebt und hat Zukunft.“

Jeweils rund 4500 Gäste besuchten die Spielzeiten 2018 und 2019, „nach 2013, als 5000 kamen, die besucherstärksten Talflimmern-Jahrgänge überhaupt“, erzählt Tykwer.

„Traumergebnisse“, die 2020 illusorisch sind. Das Festival wird durch Abstandsauflagen bestimmt. Die Stühle werden paarweise und in 1,5 Meter Entfernung aufgestellt. 124 der 199 Plätze bleiben leer. „Aber wir machen das Dach auf, blicken nach vorn und fahren auf Sicht“, gibt sich Tykwer optimistisch, weist auf eine entzerrte Zuwegung und zu tragenden Mund-Nase-Schutz hin und darauf, dass es Karten nur im Vorverkauf gebe, weder Decken verliehen, noch Hauptfilmpausen angesetzt werden. Getränke gibt es zwar – aber ausschließlich im Biergarten.

Anfang Mai habe man sich vorsichtig an den Gedanken herangetraut, doch noch ein Kinoprogramm zu organisieren. Als die Landesregierung dann überraschend die Öffnung der Kinos für Ende Mai in Aussicht stellte, waren alle überrumpelt. „Keiner wusste, wie das gehen soll“, erinnert sich Tykwer, der sich als kleiner Player, der zudem die Open-Air-Vorteile hat, im Vorteil sieht, wenn Überzeugung, Idealismus und Wirtschaftlichkeit überein gebracht werden müssen.

Auch „Talflimmern ist einerseits Sinnstiftung, aber es ist natürlich auch ein gewerblicher Betrieb“, weiß Tykwer: 2020 werden wohl nicht mal ein Drittel der Umsätze der letzten Jahre erwirtschaftet werden können. „Wir haben zwar niedrigere Fixkosten (durch 15 Mitarbeiter, Filmverleih, Technik und Arealvorbereitung, Red.) als andere, aber Geld werden wir diesen Sommer nicht verdienen.“ Also versicherte er sich der Unterstützung der Sponsoren und Partner, bevor er loslegte. Und bekam trotz zu erwartender roter Zahlen ein durchweg positives Echo. Schwieriger fiel die Antwort auf die Stuhlfrage aus. „Meine Schmerzgrenze lag bei 60 Sesseln, darunter hätte sich nach meinem Gefühl einfach keine schöne Atmosphäre herstellen lassen.“

Das Kino lebt
und hat Zukunft

Eigentlich kommen jedes Jahr nach der Berlinale die neuen Filme auf den Markt. Eigentlich bietet „Talflimmern“ immer eine Reprise der letzten zwölf Monate. 2020 aber ist alles anders. Filmstarts werden verschoben, neue Filme wandern ins Netz, das Angebot sei schmaler, so Tykwer, was aber die künstlerische Auswahl erleichtert habe und mit insgesamt vier so viel Previews ermöglichte (darunter „Berlin Alexanderplatz“) wie noch nie. „Wir müssen zwar kleinere Brötchen backen, aber qualitativ wertvolle.“

Den Coronaschutzmaßnahmen zum Opfer fiel das Eröffnungskonzert mit Brenda Boykin. Den musikalischen Opener leistet nun ein cinephiles DJ-Set des Wuppertaler Journalisten und DJs Dirk Domin, dem, wie geplant, der Thriller-Klassiker „Der Marathon-Mann“ mit Dustin Hoffman in der Hauptrolle folgt. Das fünfwöchige Festival bietet dann die bewährte Mixtur aus Internationaler Filmkunst und anspruchsvollem Mainstream, darunter der koreanische Oscar-Abräumer „Parasite“, das mit Lolas überhäufte Sozialdrama „Systemsprenger“, „Die Känguru-Chroniken“ nach den Texten von Marc-Uwe Kling, die Gangsterkomödie „The Gentlemen“ und das Tarantino-Epos „Once Upon a Time in Hollywood“. Darüber hinaus wird es abermals einen Benefiz-Abend zugunsten der Alten Feuerwache geben. Einen persönlichen Film-Tipp hat Tykwer auch: „Alle wollen ‚Parasite’ sehen - und das auch völlig zu Recht. Mein klarer Favorit aber ist der atemberaubende französische Polizeifilm ‚Die Wütenden’ (7. August, Red.).“

Flimmert auch im nächsten Jahr das Tal? Aber sicher. Auch 2021 gebe es „Talflimmern“, zum 20. Mal, sagt Tykwer. Wie das Jubiläumsfestival aussehen wird, ist freilich offen. Die Pandemie lässt sich eben nicht in die Karten schauen.