Das Theater zieht auf den Werth: „Die Buddenbrooks“ in der Concordia
Regisseur Stephan Müller inszeniert Thomas Manns Roman in dem hochherrschaftlichenBau von 1900.
Wuppertal. Schauspiel-Intendantin Susanne Abbrederis landet einen neuen Coup: Nach Else Lasker-Schülers „Wupper“, für deren Inszenierung sie Schauspieler und Publikum mit Bussen an verschiedene Orte in der Stadt schickte, hat sie nun das Haus der Gesellschaft Concordia am Werth als Bühne entdeckt. Zur Eröffnung der neuen Spielzeit inszeniert Regisseur Stephan Müller, der schon die „Wupper“ zum Ereignis werden ließ, Thomas Manns Roman „Die Buddenbrooks“ in vielen verschiedenen Räumen.
Müller und sie hätten unbedingt an dieses großräumige Projekt anknüpfen wollen, sagt Abbrederis, auch weil sich die Wuppertaler sehr dafür interessiert hätten. Ihnen seien für die neue Inszenierung im Vorfeld zahlreiche großbürgerliche Villen empfohlen worden. Ihren Wunschort für die Geschichte vom „Verfall einer Familie“, so der Untertitel, hätten sie aber letztlich bei der Concordia gefunden, wo — welch wunderbares Zusammentreffen — schon Thomas Mann 1920 aus seinem „Felix Krull“ gelesen hat.
„Der Ort selbst erzählt schon sehr viel“, schwärmt Müller. Da sind die großzügigen Gesellschaftsräume im ersten Stock, das elegante, weiße Treppenhaus mit dem roten Teppich, das Biedermeier-Zimmer mit der Blümchen-Tapete und den Kronleuchterchen. In den oberen Etagen finden sich aber auch „Unorte aus einer ganz anderen Charme-Liga“, so Müller: ein großer Gang mit blauem Nadelfilz, zwei Waschbecken und graugelber Wandfarbe. Hinter einer Tür mit grün abblätternder Farbe steht man „in einer Zeitkapsel“, sagt Bühnenbildner Siegfried E. Mayer: Rohe Backsteinwände, auf dem Boden staubiges Lino-leum mit bräunlichen Blumen, dazwischen hellgraue Metallschränke.
120 Zuschauer werden pro Vorstellung hineingelassen, nur zu Anfang sollen sie durch das Haus flanieren. „Seven Rooms“ nennt Stephan Müller den ersten Teil seiner Inszenierung: Gruppenweise werden die Zuschauer durch sieben Räume geführt, in jedem sitzt eine Figur des Stücks. Im Rittershaus-Saal mit dem repräsentativen Balkon zum Johannes-Rau-Platz werden die Stuhlreihen aufgebaut. Dort wird live gespielt, dazu kommen Live-Schaltungen in andere Räume des Hauses.
Zum Beispiel aus dem großen Kinosaal des ehemaligen Fita-Palastes — die Leinwand ist eingerissen, der Holzboden wellig geworden; Müller wird dort die Londoner Künstlerszene ansiedeln, in der sich Christian Buddenbrook gern tummelt.
Oliver Alberts, der neue Direktor der Concordia, unterstützt das Theaterprojekt nach Kräften: „Wir finden diese Idee außerordentlich spannend.“ Zugleich ist es eine vorzügliche Werbung für sein Haus, dessen Unterhalt nicht immer leicht zu erwirtschaften sein dürfte.
Abbrederis bedankte sich gestern ausdrücklich bei Stephan Müller, der derzeit am Wiener Burgtheater arbeitet, dass er „trotz der schmalen Verhältnisse“ wieder nach Wuppertal gekommen sei. Müller gab artig zurück, so ein außerordentliches Projekt an solch einem Ort wolle er schon gerne machen: „Sie sehen aus diesem prächtigen Saal heraus und erkennen sofort eine Art von Armut.“
Die Intendantin plant neben den Vorstellungen auch eine Reihe von Themenabenden zu Thomas Mann in der Concordia, unter anderem einen Vortrag von Katja Schettler über Manns Sekretärin im kalifornischen Exil — die Wuppertalerin Hilde Kahn.