Von der Heydt-Museum Ausdrucksstarke Gesichter auf emotionaler Ebene

Wuppertal · Die Ausstellung „Fremde sind wir uns selbst: Bildnisse von Paula Modersohn-Becker bis Zanele Muholi“ wird am 21. August im Von der Heydt-Museum eröffnet.

Kunsthistorikerin Anna Storm hat eine hochaktuelle Präsentation u.a. mit Bildern von Zanele Muholi erarbeitet. 

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Darstellung des Menschen ist so alt wie die Menschheit selbst. Viele Maler und Bildhauer haben sich daran versucht. Zum kunsthistorischen Aspekt gesellt sich der gesellschaftspolitische: Wie ein Porträt gestaltet ist, sagt viel aus über Motiv und Schöpfer. Das wird auch in der Ausstellung „Fremde sind wir uns selbst: Bildnisse von Paula Modersohn-Becker bis Zanele Muholi“ deutlich, die am 21. August im Von der Heydt-Museum in Elberfeld eröffnet wird. Sie wird derzeit im ersten Stock des Gebäudes am Turmhof aufgebaut. Kuratiert hat sie Anna Storm, die hier eine sehr persönliche Präsentation erarbeitet hat. Und eine hochaktuelle, die Themen wie gender, class und race anreißt.

Anfang 2021 kam ein Wuppertaler Sammler auf die junge Kunsthistorikerin zu und bot ihr sechs Foto-Arbeiten von Zanele Muholi als Dauerleihgabe für das Museum an. „Bei mir entstand sofort der Wunsch, daraus eine Ausstellung zu machen“, erinnert Storm. Ist die 1972 in Südafrika geborene Fotografie-, Video- und Installations-Künstlerin Muholi doch in aller Munde. Ihre Arbeiten wurden gerade im Berliner Gropius-Bau und im schwedischen Bildmuseet Umeå ausgestellt.

Im letzten Jahr erhielt sie den Sprengel-Preis in Hannover. Zanele Muholi ist für ihre Fotoarbeiten bekannt, meist Selbstporträts mit sehr intensiven und ausdrucksstarken Gesichtern „auf sehr emotionaler, direkter und ansprechender Ebene“, erzählt Storm, „die auf subtile Weise mit geschlechtsspezifischen Konventionen“ spielten.

Klassische Moderne stellt akademische Positionen infrage

In der Sammlung des Museums entdeckte die Kunsthistorikerin viele Anknüpfungspunkte. Beispielsweise in der Kunst von Paula Modersohn-Becker. „Beide vertreten sehr fortschrittliche, innovative, in ihrer Zeit avantgardistische Positionen.“ Zeitlich beschränkte sie die Auswahl auf die letzten 130 Jahre, weil im ausgehenden 19. Jahrhundert die klassische Moderne einsetzte, die akademische Positionen infrage stellte, sich die Malerei stark veränderte – auch im Reflex auf die Fotografie. Porträts waren vorher vor allem darauf ausgerichtet, zu repräsentieren, nun wandelte sich das Genre, wurde malerischer und in neuen Formen gedacht, die Emotion und Charakter der Identifikation vorzogen.

Auch der Titel der Ausstellung fand sich schnell. Anna Storm hatte das Buch von Julia Kristeva „Fremde sind wir uns selbst“ gelesen, war von  ihren Thesen beeindruckt,  die „Identität nicht als geschlossene, sondern als offene Form“ begreifen, die „auch das Fremde als Teil integriert“.

Eine hochaktuelle und „gesellschaftspolitisch gesehen wunderbare These, die Schlüssel sein kann im Umgang mit anderen, weil man keine Opposition zwischen fremd und eigen aufmacht“, befand Storm.

Für die Ausstellung eröffneten sich daraus gute Perspektiven, um über komplexe Themen nachzudenken: „Wir integrieren Muholi, verbinden verschiedene Positionen und Genres im Thema Identität und Menschsein.“

Die Ausstellung wird in fünf Räumen ausschließlich Arbeiten aus der Sammlung sowie die sechs Dauerleihgaben von Zanele Muholi zeigen. Sie besteht aus etwa 50 Fotos, 40 Gemälden und etwa zehn Grafiken, insbesondere der Schweizer Malerin Miriam Cahn, die mit Kohle-, Bleistift- und Pastellzeichnungen, Rauminstallationen, aber auch mit Performances bekannt wurde.

Francis Bacon ist mit einem späten Selbstporträt vertreten, zu sehen sind ein Selbstbildnis von Max Beckmanns als Clown, Warhols berühmter Siebdruck von Marilyn Monroe, Modersohn-Beckers Mädchenbildnis von 1905.

Insgesamt werden 50 Künstlerinnen und Künstler, einige mit mehreren Arbeiten, präsentiert. Darunter auch einige Wuppertaler: Nicole Aders, Tobias Zielony und Guido Jendritzko.

Das Ausstellungskonzept erschließt sich nicht chronologisch, sondern thematisch. Zum Einstieg geht es um Inszenierung und Repräsentation. Zwei Räume beschäftigen sich mit dem Körper, einmal mit Körpersprachen und einmal mit dem selbstbewussten Akt.

Es gibt das Thema des Blickes nach innen und außen und das der Intimität und Nähe. Die Schau betritt der Besucher über einen Raum, der der Performerin und Bildhauerin Senga Nengudi gewidmet ist. Die afroamerikanische Künstlerin (geboren 1943 in Chicago) wird der Avantgarde der 1960er  Jahre zugerechnet. Sie nutzt den Körper als Projektionsfläche, was zur Ausstellung wunderbar passt. Gezeigt und von Ensemblemitgliedern des Tanztheaters Pina Bausch umgesetzt wird ihr »Performance Piece«, das aus Strumpfhosen besteht.