Die wunderliche Verwirrung der Zarah Leander
Edda Klepp inszeniert ein ergreifendes Porträt. An Kuohn brilliert als Diva.
Wuppertal. "Allein bin ich ganz oft/Ich habe alles/Ich hasse politische Künstler/Ich konnte singen, sonst nichts/Ich bin eine politische Idiotin/Ich brauche den Beifall zum Leben:" Das Resumee von Zarah Leander fällt 1947 bitter aus. An ihrem 40. Geburtstag ist sie allein auf ihrem riesigen Gut in Schweden, niemand ruft sie an, ein Brief von Landsleuten ächtet sie - sie sei die Frau, die mit dem Feind paktierte, um ihre Garderobe zu finanzieren.
Die Wuppertaler Bühnen bringen das Musical-Solo von Peter Lund als letzte Premiere der Saison in der Citykirche heraus. An Kuohn gibt Zarah Leander im roten Satin-Anzug mit brauner Federboa (Kostüme: Svenja Göttler) mit großer Empathie.
Die Inszenierung von Edda Klepp lotet die Gratwanderung aus: Zwischen sträflicher politischer Blauäugigkeit der Künstlerin, bewusstem Arrangement mit der Nazi-Diktatur, zunehmender Verstrickung in den eigenen Lebenslügen und Sublimierung in gefühlsstarken Liedern.
An Kuohn folgt dem in ihrem Monolog mit sicherem Gespür für die feinen Nuancen. Sie ist verletzlich, naiv, triumphierend, ironisch, trotzig und wütend. Und sie kann singen - nicht im tiefen Kontra-Alt der Leander, den versucht sie erst gar nicht zu imitieren, aber mit angenehmer Stimme und wirksamer Bühnenpräsenz. Stefan Leibold ist ihr am Flügel ein sicherer, einfühlsamer Begleiter.
Das Bühnenbild (Susanne Kudielka) im halbrunden Spielraum der Kirche besteht aus einer Pappkisten-Schrankwand, auf der die zehn Filmtitel gedruckt sind, die Zarah Leander als Ersatz-Dietrich oder Ersatz-Garbo für die Ufa gedreht hatte.
Sie fragt sich nicht, warum diese Künstlerinnen emigriert sind, sondern kokettiert im Dialog, den sie mit dem rollenden "R" der Leander spricht, mit Goebbels, der ihr als Mann wohl gefallen habe: "Ihr Name Zarah’ kommt mir ein wenig jüdisch vor/Und ihrer, Herr Minister: Josef?" Dass Herr Hitler etwas für sie übrig gehabt habe, konstatiert sie nicht ohne Stolz und imitiert seine scharfe Artikulation.
Fiktive Text-Collagen aus dem Off beschreiben, wie die Propaganda die Diva aufbaute: "Sie ist das Frauenideal, das trotz Erotik Mütterlichkeit und Gebärfreudigkeit ausstrahlt." "Davon geht die Welt nicht unter", singt sie trotzig, aber der übermäßige Alkohol-Konsum spricht eine andere Sprache.
Den roten Teppich muss sich die Diva nun selbst ausrollen, denn nach dem Krieg ist sie mit Auftrittsverbot belegt. "Wollt ihr das totale Lied?", schreit die Schauspielerin trunken und stammelt im Scat-Gesang: "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen." Das großartige, ebenso kritische wie ergreifende Porträt, das viele bekannte Lieder präsentiert, sollte man sich nicht entgehen lassen.
Regie: 5 von 5 Punkten
Bühne: 4 Punkte
Darsteller/Musik: 5 Punkte