Kultur „Weil alles besser ist, als nichts zu tun“

Eine Woche lang nimmt das Sinfonieorchester unter der Leitung von Julia Jones zusammen mit dem Pianisten Artur Pizarro Beethovens Klavierkonzerte auf.

Julia Jones, Ingo Schmidt-Lucas und Artur Pizarro (v.l.).

Foto: Fries, Stefan (fri)

Livemusik erklingt in der Immanuelskirche. Eine Woche lang, von morgens bis abends, nimmt das Wuppertaler Sinfonieorchester unter der Leitung von Julia Jones zusammen mit dem Pianisten Artur Pizarro Beethovens Klavierkonzerte auf. Mit dieser CD-Aufnahme, die beim Label Odradek Records erscheinen wird, leistet das Sinfonieorchester Wuppertal einen bedeutenden Beitrag zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens.

Zunächst waren Beethovens ‚Big five‘ als Konzert im Frühjahr 2020 geplant. Anschließend wollte man nach Portugal auf Konzerttournee gehen. Das alles, und auch die geplante Aufnahme im Juni, kam wegen Corona nicht zustande.

Umso größer ist nun der Wunsch aller Musiker, mit der Aufnahme den Menschen die fünf Klavierkonzerte nahezubringen. „Weil alles besser ist, als nichts zu tun“, so Artur Pizarro, und weil die Mitglieder des Sinfonieorchesters darauf brennen, miteinander zu spielen. Sie spielen hochkonzentriert und die immense Freude am gemeinsamen Arbeiten ist ihnen anzumerken.

Abstände und
Plexiglaswände

Orchesterwart Volker Lünenschloß hat alles im Blick: Er sorgt für Abstände von mindestens zwei Metern zwischen den einzelnen Instrumenten und für den richtigen Standort der Plexiglaswände, die vor den Bläsern stehen. Außerdem schaut er immer wieder auf sein tragbares Co2-Messgerät. 800 ppm wären zulässig. Das Display zeigt nach 50 Minuten maximal 500 ppm. Dann gibt es 15 Minuten Pause und der Kirchenraum wird komplett durchgelüftet, bevor die Aufnahmen weitergehen. Jeweils drei Stunden am Vormittag und drei am Abend sind erlaubt.

In dieser Woche werden die Klavierkonzerte Nr. 1 bis 3 aufgenommen. Heute, in kleiner Besetzung, das 2. Klavierkonzert, das Beethoven bereits 1790 schrieb. Trompeten, Klarinetten und Pauken hat der Komponist für dieses ruhigere, zartere seiner Klavierkonzerte nicht vorgesehen. Der 1. und der 3. Satz, das schwungvolle Allegro und das tänzerische Rondo, wurden am Vormittag aufgenommen. Jetzt, in der Abendstimmung, geht es um den 2. Satz, das hochromantische Adagio.

Es wird nicht, wie bei einem Live-Mitschnitt, durchgespielt. Es gibt immer wieder Unterbrechungen. Julia Jones feilt mit dem Orchester an einzelnen Takten, um den Klang zu optimieren. Alles wird permanent aufgenommen.

Hierbei spielt Ingo Schmidt-Lucas eine zentrale Rolle. Der Tonmeister sitzt in einem separaten Raum und sorgt für die höchstmögliche Klangqualität der Aufnahmen. Immer wieder spricht er mit sanfter Stimme aus dem Off. Er kommentiert, macht Vorschläge und äußert Wünsche. „Diese Takte bitte etwas dynamischer!“ oder „Die Bläser bitte etwas leiser!“ Er spricht Deutsch mit den Sinfonikern, Englisch mit dem Pianisten. Immer häufiger sagt er: „Das fand ich richtig gut.“ In der Nachbearbeitung wird er die Fülle der Aufnahmen auswerten, um aus diesem Puzzle ein räumlich perfektes und klanglich optimales Schnitt­ergebnis zu gestalten.

Der Starpianist Artur Pizarro entlockt dem Bechstein-Flügel, einem Konzertflügel der Spitzenklasse, zarteste Klänge. Die renommierte Klavierbaufirma C. Bechstein lud in der Vorwoche den Pianisten nach Düsseldorf ein. Dort konnte er auf zwei unterschiedlichen Konzertflügeln der Reihe D 282 probespielen.

Pizarro ist
begeistert vom Flügel

Pizarro entschied sich letztendlich für diesen Flügel, der nun für die Zeit der Aufnahmen in der Immanuelskirche aufgestellt wurde. Pizarro ist begeistert von dem Instrument: „Dieser Flügel kann einfach alles ein bisschen mehr“, sagt er, und beschreibt, dass es beinahe ‚magisch‘ für ihn ist. Wenn er sanft spielen will, spielt der Flügel noch etwas sanfter, wenn er laut spielen will, ein wenig lauter. „Es ist, als ob der Flügel meine Gedanken vorhersehen und meine Wünsche erfüllen kann“, sagt der portugiesische Pianist.

Für den fantastischen Klang und die perfekte Spielbarkeit stellt Bechstein außerdem einen Klavierstimmer zur Verfügung. Der ist eigens aus Berlin angereist und stimmt den Flügel in der Aufnahmewoche zweimal täglich.

Pizarro malt zarte Klanggemälde und schafft ausdrucksstarke Partien. Sein Klavier-Part ist stets in den Orchestersatz eingebettet, was wohl auch daran liegt, dass Julia Jones und Artur Pizarro sich musikalisch und persönlich gut verstehen. In einigen Wochen wird Pizarro für die Einspielung von Beethovens 4. und 5. Klavierkonzert wieder in Wuppertal zu Gast sein.