Kultur Wählen ist die beste aller Möglichkeiten
Jeder Mensch ist ein „ Wahlkünstler“, findet Tine Lowisch.
Kultur ist nicht nur Kunstleistung oder Vermittlung, es ist das Mitgestalten eines kollektiven Werks. Deshalb gehe ich in vier Tagen auf jeden Fall wählen. Meine Stimme bei einer Wahl abzugeben, habe ich, seit ich wählen gehen darf, tatsächlich nicht ein einziges Mal verpasst. In freier und geheimer Wahl diese ganz besonderen Wunschzettel anzukreuzen macht mir jedes Mal selbst bewusst, dass ich eine Meinung habe, die ich auch äußern darf und das meine Stimme zählt. Es macht mir darüber hinaus auch jedes Mal klar, dass eine Gesellschaft natürlich immer auch Themen verhandelt, bei denen die Meinungen stark auseinander gehen können - die Wahlzettel sind ja meist sehr lang.
Warum sollte man also nicht wählen gehen? Ich habe bewusstes Nichtwählen, wenn man wahlberechtigt ist, als Meinungsäußerung nie verstanden. Ich finde das eher faul. Wie wäre es, wenn nach der Wahl am Sonntag bekannt würde, dass Wuppertal die Stadt mit der höchsten Wahlbeteiligung aller Zeiten bei einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen ist? Das wäre mal ein Stadtmarketing mit großer Strahlkraft – das geht überregional, das geht vielleicht sogar viral.
Letzten Freitag haben wir vom Freien Netzwerk Kultur die Chance, dass Wahlkampf ist, genutzt und so geschafft, dass alle sechs Kandidaten und eine Kandidatin tatsächlich ins Cafe Ada in die frisch renovierten Räume des neu gegründeten Vereins Insel gekommen sind, um sich uns zu stellen. Sie kamen alle zu unserem mittlerweile 19. Jour Fixe, dem ersten Treffen dieser Reihe unter Coronabedingungen.
Und wir haben sie gefragt: Quo vadis - Wie soll es weiter gehen mit uns und mit der Kunst und Kultur in unserer Stadt? Anhand ihrer Aussagen und ihrer Antworten zu unseren Fragen haben wir sie, glaube ich alle ganz gut kennen- und einschätzen gelernt und es war wirklich schön, dass sie da waren und es war auch sehr wertschätzend von den Mitstreitern, dass die Veranstaltung ausgebucht war. Ich hätte mir allerdings ein bisschen mehr Redezeit für unsere Gäste gewünscht, ein bisschen mehr kreatives Chaos durch Zwischenrufe vielleicht und einen Hauch mehr Irritationen und Unterschiede - aber das ist Geschmacksache.
Vielleicht waren wir ja alle gut beraten, dass die Antworten zeitlich auf eine Minute durch den Einsatz einer Sanduhr, durch die Moderatoren Uta Atzpodien und David J. Becher begrenzt wurden. Denn man darf nicht vergessen, es sind ja Antworten von Politikern. Eigentlich hat der Abend doch ganz gut funktioniert. Wir lernen dazu, wir professionalisieren uns und werden langsam aber stetig zu einer Stimme. Und darum geht’s.
In einer gut funktionierenden Demokratie wird zum Glück durchgängig, eben auch vor und nach den Wahlen, auf den Straßen und in den Häusern, in Interessengruppen und natürlich auch in Parteien, solange debattiert und diskutiert, bis die Grenzen, die Tabuzonen eines Themas definiert sind und die Kompromisse vernünftig ausgehandelt werden können. Es ist immerhin ein langer Prozess und es kann leider nicht alles an nur einem Abend ausgehandelt werden. So und nicht anders wird im System Demokratie zum Beispiel fortlaufend garantiert, dass Verabredungen, an die man sich besser erstmal hält, niemals von einer einzelnen Person beschlossen oder verändert werden können.
Eine Sache kann und muss man allerdings in einer Demokratie, die funktionieren soll, auf jeden Fall alleine verantworten und dann auch für sich beschließen: Wo mache ich mein Kreuz? Denn Wählengehen ist tatsächlich die Beste aller Möglichkeiten, etwas zu verändern.