Gänsehautstimmung bei der neuen Symphonie des Grauens
Stummfilm & Livemusik: Beim Saisonfinale der Sinfoniker feierte Vampir „Nosferatu“ im neuen musikalischen Gewand Auferstehung.
Wuppertal. Echtes Grusel-Gefühl gab es vor der Sommerpause des Sinfonieorchesters in der Stadthalle. Der Stummfilm „Nosferatu“, Urvater aller Horrorfilme von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahr 1922, feierte Auferstehung im neuen musikalischen Gewand. Aus der „Symphonie des Grauens“ wurde mit der Filmmusik des Spaniers José Maria Sánchez-Verdú von 2003 eine „Neue Musik des Grauens“.
Ohne Bilder hätte die Musik wohl manches Kopfschütteln im großen und gut besetzten Stadthallensaal provoziert. So aber fand sie begeisterte Aufnahme: die flirrenden und sirrenden Streicher-Klangballungen, wenn der mutige Hutter in die Karpaten reist, um dem Grafen Orlok, der in Wahrheit der Vampir Nosferatu ist, ein verfallenes Haus in seiner norddeutschen Heimatstadt zu verkaufen.
Immer unterstreicht die präzise zu den Bildern gespielte Musik unter der engagierten Leitung von Mark-Andreas Schlingensiepen die Stimmungen und Seelenzustände der Protagonisten. Oft sind es die leisen Töne, die eine ungeheure Spannung erzeugen: Zartes Saitenzittern, endlos gehaltene Liegetöne, ein hohles Klopfen, ein einsamer Ruf der Klarinette oder Geräusche wie von unruhigem Atmen.
Die Pauke untermalt düster die geheimnisvollsten Szenen, etwa, um den einsamen Orlok in seinem gespenstischen Schloss zu charakterisieren oder um die Anzahl der Pesttoten in der Stadt Wisborg mit fahlen Schlägen wie von Totenglocken zu zählen. Die unheimlichen Vorahnungen Ellens, der Ehefrau Hutters, begleiten schnatternde, reibende und fiepsende Klänge, die an Kraft zunehmen und bedrohlich sausen und pfeifen. Die gequälte Seele ahnt schon die Opferrolle, die sie einnehmen wird.
Neben den Lautstärke-Kontrasten und einer ganzen Klangfarben-Palette lässt der Komponist einen Frauenchor (Wuppertaler Bühnen) auftreten, der mit hohen Vokalisen über den Instrumentalklängen eine sonst in Oratorien oder Passionen anzutreffende Aussagekraft schafft. Sánchez-Verdús Musik ist da fast eine Spur zu ernsthaft für den Grusel-Klassiker, der beim heutigen Konsumenten auch durchaus witzige Assoziationen nährt. Etwa wenn der großartige Schauspieler Max Schreck, nicht nur mit passender Gestalt und Physiognomie sondern auch mit treffendem Namen, beim ersten Hahnenschrei als Rauchwölkchen auf dem Teppich verglüht.
Dennoch: Eine treffendere Musik gibt es wohl kaum unter den Vertonungen, die zu dem Grusel-Klassiker geschrieben wurden. Mit Ellens Tod, dem sie sich freiwillig stellt, verebbt der hohe, nervige Unisono-Streicherklang im Nichts, bevor begeisterter Applaus für Musiker, Dirigent und Techniker aufbraust.