Wuppertaler Kultur Seine Werke sind „gemalte existenzielle Philosophie“
Jürgen Grölle zeigt ab Februar eine Ausstellung über den Wuppertaler Künstler Andreas Junge in seiner Galerie.
An seine erste Begegnung mit Andreas Junge, der wie er Ende der 50er Jahre in Wuppertal zur Welt gekommen war, kann er sich noch genau erinnern: „Ich traf ihn 1980 im ‚Grün In’, einem alternativen Szene-Ausflugslokal in Gevelsberg-Silschede. Andy zeigte mir Schuhkartons voller Zeichnungen: präzise mit Architekten-Fineliner gezeichnete, minimalistische Bilder auf Papier. Ich war derart begeistert, dass ich anregte, die Arbeiten zu vergrößern, auf Leinwand, Pappen und auf Stoffe“, erzählt Jürgen Grölle. 2009 starb der Wuppertaler Künstler und Von der Heydt-Preisträger Andreas Junge. Eine kleine Ausstellung 2010 im Ort erinnerte bislang an ihn. „Es ist also an der Zeit, ihn der Vergessenheit zu entreißen, seine Arbeit zu würdigen“, findet Grölle und plant eine Ausstellung in seiner Galerie am Arrenberg.
„Die 80er und 90er in Wuppertal waren eine hyperaktive Zeit“
Um Weihnachten herum hatte der Galerist überlegt, wie er das anstehende Ausstellungsjahr gestalten könne. 2020 werden die beiden Kunsträume in einer ehemaligen Fabrik an der Friedrich-Ebert-Straße zehn Jahre alt, ist es 40 Jahre her, dass seine Freundschaft mit Junge begann, seine eigene aktive Kunstzeit mit Studium und Aktionen, mit Musik und dem Zusammenfinden Gleichgesinnter ihren Lauf nahm. Grölle: „Die 80er und 90er Jahre waren in Wuppertal echt crazy, eine hyperaktive Zeit. Die jungen Leute konnten frei und interdisziplinär arbeiten. Der Punk mit seiner Musik kam dazu. Andy war damals superkreativ, wurde zur Kunstpunkfigur.“ Mit eigenem, unverwechselbarem Stil, in Bildern und Literatur – Junge malte unablässig und schrieb 2004 das Buch „Der Ochse“, das den Kern dieser Epoche spiegelte.
Ein Stil, der sich einer Einordnung verweigert, figurativ und zugleich abstrakt ist, auf Din A 4 kleinem Papier begann und auf mehrere Meter große Stofftücher hinaus wuchs. „Zunächst malte er kleine, minimalistische, surreale Zeichen, die er zu Riesenstorys zusammenfügte, die Anklänge an Comics und Computerspiele hatten“, beschreibt Grölle. Heiter und lustig anmutende, kleinteilige Bilder, deren Elemente jedoch beim näheren Hinsehen den massenhaften, maschinellen Tod, etwa im KZ, darstellten. Für jedes Element, von der Sichel bis zum Totenkopf, fertigte der Künstler Schablonen, die er mit Farbe besprühte. Hinzu kamen gemalte Bilder, deren Zeichen und Formen jedes für sich auf Geschichten verwiesen, die er zu „intelligenten, choreographierten Bildern“ auf Stoff zusammenfügte. Und die Zeitungsberichte über Zeitereignisse wie das Herrhausen-Attentat der RAF 1989, die er in unzähligen Schichten zu rostig anmutenden Bildern auf Leinwand klebte.
Aufbegehren gegen
Eltern und Gesellschaft
Junges Thema war die negative, deprimierende Seite des Menschen und seines Verhaltens in der Welt, war „gemalte existenzielle Philosophie“, so Grölle. In seiner Kunst und in seinem Leben habe sich seine Liebe zum und Sehnen nach Leben, sein Aufbegehren gegen Eltern und Gesellschaft gespiegelt. „Er brannte für das Leben, dieses großartige Geschenk. Er scheiterte und richtete die Gewalt gegen sich.“ Indem er exzessiv und ungesund lebte. Grölle stellte Junge erstmals 1983 in seiner Galerie Künstlerstrich, einer alten Schreinerei an der Schülkestrasse in Barmen, aus. 1986 war Junge beim Kunstfestival „Postnukleare Aktionstage“ auf vier Etagen an der Hofaue dabei, die auf den Reaktor-Gau in Tschernobyl antwortete, und von Jürgen Grölle, Ulrich Halstenbach, Hans Peter Hiby und Dirk Thielen organisiert wurde. Ein Foto von damals dient nun als Einladungskarte der Schau 2020.
Da der Nachlass Junges in eine Galerie in Zülpich kam, denkt Grölle bei seiner Ausstellung an Arbeiten, die Sammler und Freunde des Verstorbenen in Wuppertal zur Verfügung stellen. Ihre persönlichen Geschichten beisteuern, die idealerweise in einem Heft herausgegeben werden sollen. Detlef Bell etwa, der mit Junge mehrfach in WG zusammen- und miterlebte, wie dieser seinen Weg suchte, der ihn ein einzigartiges Werk hervorbringen ließ und ihn zugleich tötete. Oder Hans-Georg Lobeck und Hans-Christian Günther, mit denen Grölle die non profit-Ausstellung, die nicht dem Verkauf dienen soll, gestalten will. Er selbst besitzt natürlich auch Arbeiten, darunter auch gemeinsam mit Junge geschaffene. Und weil der Galerie-Raum wiederum Begrenzung bedeutet, hofft Grölle schon jetzt, dass das Projekt „vielleicht eine Anregung für eine große Retrospektive in Wuppertal sein könnte“.