Konzert in Wuppertal „Leningrader Sinfonie“: Trommelwirbel und verträumte Töne
Das Junge Orchester NRW spielte Schostakowitschs Werk im Großen Saal der Stadthalle und ließ seine siebte Sinfonie wie aus einem Guss erklingen.
Dmitri Schostakowitschs 7. Sinfonie wurde vom Stalin-Regime als patriotische Erklärung, als reiner Kampf gegen den Faschismus glorifiziert. Bis heute ist diese Auffassung fest in noch manchen Köpfen verankert, wahrscheinlich aufgrund folgender offizieller Äußerung des Komponisten: „… unserem künftigen Sieg über die Feinde, meiner Heimatstadt Leningrad widme ich meine siebente Sinfonie“. Doch ihm ging es um viel mehr: Dieses Opus 60 klagt ganz allgemein Gewalt, Bedrohung, Unrecht an. In einer Welt voller Kriege und Terror müsste sie deswegen immer noch regelmäßig auf Konzertprogrammen stehen. Das junge Orchester NRW nahm sich nun der „Leningrader“ an und führte sie im Großen Saal der Stadthalle außerordentlich packend auf.
Wohlweislich wurden Schostakowitschs Memoiren, wohl aus Angst vor Repressalien, erst nach seinem Tod veröffentlicht. Dort steht seine wahre Meinung geschrieben: „Ich empfinde unstillbaren Schmerz um alle, die Hitler umgebracht hat. Aber nicht weniger Schmerz bereitet mir der Gedanke an die auf Stalins Geheiß Ermordeten. Ich trauere um alle Gequälten, Gepeinigten, Erschossenen, Verhungerten. Es gab sie in unserem Lande schon zu Millionen, ehe der Krieg gegen Hitler begonnen hatte. (...) Ich habe nichts dagegen einzuwenden, dass man die Siebte die Leningrader Sinfonie nennt. Aber in ihr geht es nicht um die Blockade. Es geht um Leningrad, das Stalin zugrunde gerichtet hat. Hitler setzte nur den Schlusspunkt“.
Gnadenlose Kriegsbilder
und verletzliche Stimmen
Wenn also in der 80-minütigen Musik Trommelwirbel vordergründig vom feindlichen Einfall künden, im ersten wie im letzten Satz gnadenlose Kriegsbilder vorbeiziehen, steckt seine ganze Verzweiflung über menschenverachtendes Verhalten dahinter. Werden dagegen in diesem Werk intime, kontemplative, verträumte Töne angeschlagen, zeigen sich darin zarte, verletzliche Stimmen, die seinen großen Humanismus zum Ausdruck bringen.
Unter dem exakten und umsichtigen Dirigat von Ingo Ernst Reihl brachte das junge Orchester NRW diese Haltung klar zum Ausdruck. Auch wenn einige Orchestergruppen etwas zu groß besetzt waren, sorgten die hoch engagierten Instrumentalisten selbst im klanggewaltigen Tutti mit einem stets differenzierten, kultivierten Klangbild. Etwa faszinierten sie mit einem fest zupackenden, energischen Forte und einem sensiblen, weichen Piano. Von der ersten bis zur letzten Note wurde ein großer Spannungsbogen gezogen. So erklang diese großartige Sinfonie wie aus einem Guss.
Mit einem friedlichen russischen Igor-Lied, bei dem viele Musiker einen vierstimmigen Chor bildeten, bedankte sich das junge Orchester NRW für die gerechtfertigten stehenden Ovationen.