Gitarren-Professor setzt auf irreale Wesen

Gerhard Reichenbach (46) plant ein Nachtkonzert in der Musikhochschule.

Herr Reichenbach, Sie spielen am Freitag, 18. November, um 21 Uhr in der Musikhochschule an der Sedanstraße. Wie kamen Sie auf die Idee zu einem Nachtkonzert?

Gerhard Reichenbach: Ich wollte nach meinem Antrittskonzert als Professor im vergangenen Jahr in diesem Jahr auf ein besonderes Werk aufmerksam machen. Die „Balkanska Sonata“ von Rossen Balkanski ist ein solches Werk, in dem in Tönen so ziemlich alles gesagt wird, was auf der klassischen Gitarre überhaupt gesagt werden kann. Das Stück endet in absoluter Stille. Gerade von diesem Schluss des Werkes aus betrachtet fand ich es reizvoll, eine späte Uhrzeit zu wählen — etwas Besonderes genießt man oft am besten zu sehr später Stunde . . .

Sie stellen ein symphonisches Werk vor, das Rossen Balkanski eigens für Sie geschrieben hat. Hatten Sie ein gewisses Mitspracherecht und konnten beeinflussen, wie das Stück am Ende klingen wird — oder hatte der Komponist vollkommen „freie Hand“?

Reichenbach: Rossen Balkanski ist eine starke, eigenständige Persönlichkeit. Er hat mich am Entstehungsprozess nicht teilhaben lassen, sondern mir die vollständige Sonate mit Widmung und einem Würdigungstext einfach zugeschickt. Da er mich in mehreren Konzerten in Bulgarien bereits gehört hatte und mein Spiel mag, wollte er in der Sonate allen meinen musikalischen Möglichkeiten ein Betätigungsfeld zu geben. Insofern ist sie mir quasi auf den Leib geschrieben.

Wie würden Sie das Werk beschreiben?

Reichenbach: Die Sonate ähnelt einer großen, langen und auch komplizierten Romangeschichte. Genau wie bei guten Büchern ist man trotz der speziellen osteuropäischen Tonsprache des Stücks sofort in den Bann gezogen und kann nicht mehr weghören. Die Sonate bringt in mehreren Sätzen Aspekte dessen, was für einen Menschen auf dem Balkan das Dasein ausmacht. Der erste Satz thematisiert das menschliche Leben, der zweite Satz den Tod und unseren Umgang damit, der dritte beschreibt das Vorhandensein irrealer, diabolischer Wesen. Im Schlusssatz kommt die Musik dann auf wunderbare Weise zu vollkommener Ruhe und Haronie aller Dinge. Dieser Beschreibung entsprechend ist ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten vorhanden — es reicht von Momenten tiefster Versenkung bis zu Ausbrüchen von fast diabolischer Virtuosität.