Herzensspiel in schweren Zeiten
Das Orchester beeindruckte gestern in der Stadthalle.
Wuppertal. Eine bedrückende Aktualität erhielt das Programm des 7. Konzerts der Wuppertaler Sinfoniker in der Stadthalle. Die schlimmen Nachrichten aus der Heimat musste nicht nur Dirigent Toshiyuki Kamioka verarbeiten: Viele der Orchestermitglieder haben Verwandte und Freunde in Japan. Dennoch musizierten sie auf gewohnt hohem Niveau — mit besonderem Anliegen des Herzens.
Denn „Vier letzte Lieder“ von Richard Strauss sind Gesänge vom Werden, Vergehen und Abschiednehmen — angesichts der vielen Tausend Toten der Tsumami-Katastrophe ein Requiem besonderer Art. Die Sopranistin Marion Ammann — in Wuppertal seit ihrer glänzenden „Isolde“ vor zwei Jahren keine Unbekannte mehr — trägt die Lieder mit ihrer warmen, ebenso lyrisch wie kraftvoll konturierten Stimme ergreifend vor.
Trotz einer gewissen Orchesterdominanz an manchen Stellen lässt sich Ammann nicht zum Forcieren hinreißen, sondern versteht sich als weitere Stimme im meisterhaft kolorierten Klangbild. Ihr Piano ist beseelt, ihre Linienführung ausdrucksvoll kantabel. Sehr textnah instrumentiert Strauss die Lieder, in denen er 84-jährig „wandermüde“ auf sein Leben mit Höhen und Tiefen zurück blickt.
Innig spielt die Violine ihr Solo im dritten Lied und paraphrasiert den Gesang: „ . . . alle meine Sinne nun wollen sich in Schlummer senken.“ Vollmundig singend und schwebend im Fluss der Melodik intoniert das Orchester das letzte Lied „Im Abendrot“, wo auf die wechselnden Stimmungen der vorangegangenen Gesänge der Todesschatten fällt: „Wie sind wir wandermüde — ist dies etwa der Tod?“
Lang, sanft und trostreich klingt das Nachspiel aus. Einen besonders herzlichen Dank erfährt Ammann vom Dirigenten Toshiyuki Kamioka, jubelnden Beifall nach ergriffenen Schweigeminuten gibt es vom Publikum im gut besuchten Großen Saal.
Mit der Sinfonischen Dichtung „Macbeth“ von Richard Strauss hae das Orchester zuvor sein Konzert eröffnet. Voller Dramatik und Leidenschaft, unruhig, aufwühlend und mit donnernder Gewalt kommt diese Tondichtung des jungen Strauss (von 1890) daher, vom Seelendrama der Shakespear’schen Handlung inspiriert. Erst die Worte der Lady Macbeth — von zischenden Streichertremoli umspielte Holzbläser-Motive — schaffen verführerische Ruhe, bevor sich die Musik rasend und dämonisch in wogenden Tonfluten verliert.
Die vierte Sinfonie von Johannes Brahms von 1885 zelebriert das Sinfonieorchester mit der größtmöglichen Transparenz. Große Strahlkraft mit berückend schönem Streicherthema im Kopfsatz, markante, präzise und saubere, von Pizzicato-Streichern grundierte Bläser-Kantilenen im elegischen „Andante“, munterer Gestus im „Allegro giocoso“ in hellen Orchesterfarben und ein überwältigender Schlusssatz mit den zahlreichen Variationen des Bassthemas zeigen wieder einmal die große Klasse des städtischen Orchesters — besonders auch in schweren Zeiten.
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