Die Frische der Altmeister
Verena und Bernd Klüser zeigen in Wuppertal kostbare Zeichnungen aus fünf Jahrhunderten.
Wuppertal. „Eine erstaunliche Modernität mit nervösen, fast expressionistischen Linien“ — Bernd Klüser weist auf Jacopo Palmas Federzeichnung „Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel“ (gegen 1590). Vor Jan Fabres „Wandelndem Blatt“ (1993)erzählt er, wie der belgische Performancekünstler das Großformat ausdauernd mit einem bestimmten Kuli bearbeitet, um genau dieses glänzende Blau zu erzielen.
Jede der 220 Zeichnungen aus fünf Jahrhunderten, die das Wuppertaler Von der Heydt-Museum ab Sonntag präsentiert, könnte Klüser liebevoll und mit großer Kenntnis besprechen. Mit seiner Frau Verena stellt er erstmals Exponate aus der umfangreichen Privatsammlung aus — im passenden Rahmen. Denn jede Zeichnung hat einen echten Rahmen aus der jeweiligen Epoche.
„Wir haben auf viele Einzelblätter verzichtet, um die Besucher nicht zu überfordern“, sagt Bernd Klüser. „200 Werke sind viel: Wenn man jede Zeichnung nur eine Minute anschaut, dann braucht man für die Ausstellung dreieinhalb Stunden — das macht ja kein Mensch.“ Daher habe er mit seiner Frau entschieden, einige Künstler in Blöcken von vier oder acht Werken zu präsentieren. Die Zeichnungen sind auch nicht chronologisch gehängt, sondern konfrontieren die Moderne mit den alten Meistern — und der Besucher fragt sich oft verblüfft, wer hier den frischeren Strich hat.
Mit Arno Schmidts literarischem Monumentalwerk „Zettels Traum“ hat die gleichnamige Ausstellung direkt nichts zu tun. Die Klüsers haben sich lediglich assoziativ davon leiten lassen.
Das Paar stammt aus Wuppertal — „man muss da differenzieren: ich stamme aus Elberfeld, meine Frau aus Barmen“, — und leiten seit rund 40 Jahren eine Galerie in München. Mittlerweile ist auch ihre Tochter Julia mit im Geschäft. Dass sie ihre herausragenden Zeichnungen in Wuppertal zeigen, war für sie aber keine Frage. „Man hängt an diesem Haus“, sagt Bernd Klüser. Im Von der Heydt-Museum sei mit 14 Jahren sein Interesse an der Kunst erwacht. Er habe regelmäßig die Schule geschwänzt, um sich dort aufzuhalten.
Das prägte so sehr, dass er nach seinem Jurastudium doch die Kunst zu seinem Beruf machte. Neben der Galerie hat das Ehepaar seit dem Ende der 60er Jahre auch privat gesammelt, zunächst vor allem Modernes, „als erstes Beuys“. Seit 15 Jahren seien auch die Altmeister dazugekommen. Sie hätten erst Zeit gebraucht, um dafür einen Blick zu entwickeln und „außerdem waren die Altmeister zu der Zeit preislich extrem unterschätzt“.
An Zeichnungen fasziniert das Sammlerpaar, dass die Künstler dabei ihre ersten Ideen zu großen Gemälden eigenhändig festhielten (während das Gemälde oft von Gehilfen ausgeführt wurde) oder sie einfach für sich frei gestaltet haben. Zudem sei eine Zeichnung ein demokratisches Medium: Einerseits reicht ein Blatt Papier und ein Stift, andererseits kann man nicht pfuschen.
Als Geldanlage sieht Klüser seine umfangreiche Sammlung nicht. „Jeder ukrainische Milliardär kann sich heute rasch eine riesige Kunstsammlung zusammenkaufen. Für Zeichnungen muss man schon mehr Kenntnisse haben“, sagt Klüser. Und wenn dieser Milliardär seine Sammlung kaufen wollte? „Dann bekommt er sie nicht. Sie ist nicht zu verkaufen.“