Jubel bei der Premiere von Tschechows "Kirschgarten"
Premiere: Christian von Treskows Inszenierung von Tschechows Komödie „Der Kirschgarten“ wird im Opernhaus vom Publikum bejubelt.
Wuppertal. Die vom Sparzwang bedrohten Wuppertaler Bühnen sparen keineswegs. Jedenfalls nicht an der künstlerischen Qualität. Das bewies wieder einmal die umjubelte und innovative Inszenierung von Anton Tschechows Komödie "Der Kirschgarten" im Opernhaus. Christian von Treskow entdeckt im stimmungsreichen, aber aktionsarmen Stück die Langsamkeit auf der Bühne, die Unbewegtheit der Protagonisten, die nicht miteinander, sondern oft aneinander vorbei oder gleichzeitig reden.
Auf schräg ansteigender Spielfläche vor einem Puppenstuben-Zimmerchen mit Blick auf den blühenden Kirschgarten (Bühne: Jürgen Lier) entspinnt sich die Geschichte um die verschuldete Gutsbesitzerin Ranewskaja, die nur der Verkauf retten kann. Immer mehr wird die Schräge zum Laufsteg, auf dem die Schauspieler wie bei der Modenschau ihre Charaktere auch pantomimisch darstellen. An Kuohn zeichnet die ehemals reiche Herrin treffend: Großzügig ist sie und warmherzig, aber auch leichtsinnig. Fest verhaftet in der feudalen Gesellschaft ist sie blind der Realität gegenüber - wie auch ihr feinsinniger Bruder (herrlich abgehoben: Andreas Ramstein).
Lutz Wessel gibt den Kaufmann Lopachin: Als Sohn eines Leibeigenen auf dem Gut aufgewachsen, liegt ihm dieses am Herzen. Kein Wunder, dass er letzten Endes der Käufer ist. Zwischen Ergebenheit und Bewunderung für die Gutsherrin schwankt er. Doch lässt sein Stolz über den Erwerb natürlich keine Mitfreude aufkommen. Es gelingt ihm nicht, die Liebe von Warja, der Stieftochter (überzeugend: Maresa Lühle) zu erwidern. Auch Tochter Anja (Anne-Catherine Studer) und der ewige Student (Gregor Henze) finden nicht zueinander. Henze könnte dem Versager-Typ auch einen Touch Kampfgeist verleihen, denn er ist es, der die passend in die Gegenwart transportierten gesellschaftlichen Zustände kritisiert. Dass der Kirschgarten abgeholzt wird, kümmert ihn wenig: "Die ganze Welt ist unser Garten."
Komödiantische Elemente kommen nicht zu kurz: Oliver Held spielt einen weiteren Gutsbesitzer in Heinz-Erhardt-Manier. Julia Wolff als Gouvernante ist eine schillernde, surreale Figur. Als Flintenweib, Bärenbändigerin und Zauberkünstlerin überspielt sie das Entwurzeltsein: Nichts ist so, wie es scheint. Der alte Diener Firs, den Thomas Braus in beklemmendem Zeitlupen-Tempo spielt, trägt die Bürden ergeben und schleppt den Schrank auf seinem Rücken. In den schließt er sich ein, als alle abgereist sind. Doch plötzlich ist der Schrank leer: Abschied und Tod liegen dicht beieinander.
Regie: Fünf von fünf WZ-Punkten
Bühne: Vier von fünf WZ-Punkten
Ensemble: Fünf von fünf WZ-Punkten