Vom Trecker ins Theater: Die neue Bühnen-Chefin
Barbara Sydow wuchs auf dem Land auf. Heute leitet die 38-Jährige das Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater.
Wuppertal. Ihr Weg ins Theater war nicht gerade vorgezeichnet. Barbara Sydow hätte auch eine ganz andere Richtung einschlagen können - auf dem Traktor nämlich. Doch wer mit der neuen Geschäftsführerin des Kinder- und Jugendtheaters spricht, ahnt schnell, dass die 38-Jährige genau weiß, was sie will. Und was sie nicht möchte.
"Ich hatte keine Lust, auf dem Trecker zu sitzen", gibt die Landwirtstochter offen zu. "Ich wollte immer weg - schon als kleines Mädchen." Statt auf dem Traktor zu thronen, wollte sie lieber auf eigenen Füßen stehen.
Nun ist sie in Wuppertal angekommen - nach Zwischenstopps in Erlangen, Düsseldorf, Gelsenkirchen und Gronau. Dort hat sie das Rock- und Popmuseum mit aufgebaut. "So toll die Jahre dort waren", sagt Sydow, "so sehr hat mir doch das Theater gefehlt." Jetzt hat sie es zurück: Als kaufmännische Chefin will Sydow an der Margaretenstraße alten Pfaden folgen, gleichzeitig jedoch auch neue Wege gehen.
Zusammen mit dem künstlerischen Leiter, Lars Emrich, plant sie eine engere Zusammenarbeit mit den Schulen - "beispielsweise mit Projekten im offenen Ganztag". Auch sonst hat die zweifache Mutter viel vor: Das Ensemble träumt nach wie vor von einer eigenen Spielstätte, der Internetauftritt des Theaters wurde bereits frisch überholt, außerdem hofft Sydow auf "noch unentdeckte Kooperationsmöglichkeiten im Bergischen".
Städte mit einem W am Anfang scheinen ihr Schicksal zu sein: Auf einem Hof bei Karlsruhe geboren, zog Sydow mit der Familie bald ins niedersächsische Wolfsburg. Ihr Abitur machte sie in Wolfsbüttel.
Wuppertal bedeutet für Sydow die Möglichkeit, "ein freies, unabhängiges Theater zu leiten, in dem es eine sehr interessante Kombination gibt". Die Zusammenarbeit von erwachsenen Profis und aufstrebenden Laien reizt die studierte Theaterwissenschaftlerin: "Das ist ein schönes Spannungsfeld. Wir haben ein tolles, junges, offenes Ensemble, mit dem man sehr gut arbeiten kann - auf professionellem Niveau."
Sie selbst zieht es nicht (mehr) ins Rampenlicht. "Während des Studiums habe ich mich mal als Schauspielerin versucht, war aber furchtbar nervös. Dafür fehlte mir der Mumm. Am Ende dachte ich: Das können andere besser."
Sichtlich wohler fühlte sie sich hinter der Bühne: bei der Organisation des Studenten-Festivals "Arena", das sie Mitte der 90er Jahre in Erlangen ans Laufen brachte. "Ich bin da während des Studiums hineingerutscht und habe schnell gemerkt: Das Organisieren liegt mir."
Was damals eine Herausforderung war, gilt auch heute noch: Sydow gibt "sehr gerne den Rahmen vor, in dem man Theater machen kann". Dabei ist die Kulturbegeisterte optimistisch, "trotz schwierigster Haushaltslage Fördertöpfe zu finden", um ihre Ideen auch tatsächlich Realität werden zu lassen. Das erste sichtbare Zeichen verspricht buchstäblich viel Theater: Das neue Spielplanheft ist dicker als je zuvor.
Auch wenn die engagierte Bühnenmanagerin reichlich Erfahrungen hat, ist die Arbeit im Kinder- und Jugendtheater doch Neuland für sie. Als rechte Hand von Gérard Mortier und Assistentin der Geschäftsführung der Ruhrtriennale war Sydow einst hautnah dabei, als das internationale Festival mit einem Paukenschlag eröffnet wurde. "Die Ruhrtriennale ist natürlich eine ganz andere Liga - vor allem, was Produktionsgelder und Darsteller betrifft", sagt Sydow.
Weniger Geld muss allerdings nicht zwangsläufig auch weniger Spielraum bedeuten. Im Gegenteil: In Wuppertal freut sich Sydow nun darauf, Kinder fürs Theater zu begeistern.
"Theater wird nicht für eine elitäre Gruppe gemacht. Ich verstehe Kultur so, dass man von klein auf hineinwachsen kann", betont die neue Bühnen-Chefin. "Jetzt arbeite ich sozusagen direkt an der Basis."
Außerdem gibt es da ja auch noch einen ganz persönlichen Bezug: Die Geschäftsführerin, die mit einem Fotografen verheiratet ist, hat selbst für Theaternachwuchs gesorgt - ihre beiden größten Fans sind drei und sechs Jahre alt. Wetten, dass ihre Töchter lieber Theater machen, als Trecker zu fahren? Sydow sieht’s mit ernsthaftem Stolz und einem heiteren Lächeln: "Die beiden können es kaum erwarten, in unsere Theaterschule zu gehen."