Kamioka ist optimistisch: Neue Hoffnung nach dem Tauziehen
Wie geht es weiter mit den städtischen Sinfonikern? Chef-Dirigent Toshiyuki Kamioka und Orchesterdirektor Heiner Louis hoffen vor allem auf die Hilfe von Sponsoren.
Herr Kamioka, wie ist die Stimmung im Sinfonieorchester — jetzt, nachdem eine bergische Fusion endgültig vom Tisch ist?
Toshiyuki Kamioka: Ich bin über diese Entscheidung — künstlerisch gesehen — sehr froh, nichtsdestotrotz blicken wir nun weiterhin in eine ungewisse Zukunft. Viele Stellen sind zurzeit nicht besetzt — darunter leidet das gesamte Orchester.
Wie hat sich die lange politische Diskussion auf den künstlerischen Arbeitsalltag ausgewirkt?
Kamioka: Natürlich hat das Tauziehen um das Orchester alle Beteiligten belastet, schließlich ging es um eine viele Existenzen bedrohende Frage. Aber wenn man Musik macht, dann vergisst man auch solche Themen. Meine Mannschaft besteht aus Profis, auf die künstlerische Ebene hat sich die Diskussion nicht ausgewirkt.
Hätten Sie Ihren Vertrag verlängert, wenn es zu einer Fusion gekommen wäre?
Kamioka: Nein, das hätte ich nicht gemacht. Für ein fusioniertes Orchester hätte es einen völlig neuen Chef für einen Neubeginn geben müssen.
Herr Louis, wie geht es nun weiter? Mit der abgewendeten Fusion sind ja noch lange nicht alle Probleme vom Tisch . . .
Heiner Louis: Nein, das ist richtig. Natürlich sind wir sehr froh, auch künftig als „Sinfonieorchester Wuppertal“ weiterarbeiten zu können, aber die abgewendete Fusion war nur ein Schritt hin zu einem Zustand, der es uns ermöglicht, unter annähernd „normalen“ Bedingungen arbeiten zu können. Wir werden also noch einen zweiten Schritt unternehmen müssen, der mindestens genauso wichtig ist: Auf der einen Seite sollen die gerade erwähnten „normalen“ Arbeitsbedingungen wieder hergestellt werden, auf der anderen Seite wird die Stadt Wuppertal auch künftig weitere Einsparziele erreichen wollen und müssen. In diesem Spannungsfeld müssen wir für das Orchester eine vernünftige und nachhaltige Lösung erzielen. Ich bin zuversichtlich, dass dies möglich ist, wenn alle beteiligten Akteure an einem Strang ziehen.
Das Sinfonieorchester feiert im kommenden Jahr einen ganz besonderen Geburtstag. Wird es das Ensemble auch in 150 Jahren noch geben?
Kamioka: Das hoffe ich sehr! Wir haben jetzt 150 Jahre geschafft, warum nicht weitere 150 Jahre? Louis: Ich bin grundsätzlich Optimist und halte dies für möglich — auch wenn sich dieses Zeitfenster meiner Vorstellungskraft ein wenig entzieht . . .
Sind Sie zuversichtlich, über private Sponsorengelder Finanzierungslöcher stopfen zu können?
Kamioka: Momentan ist noch offen, wie es weitergehen wird. Ich wünsche mir ein positives, gemeinschaftlich erarbeitetes Ergebnis mit der Stadt. Louis: Ja, ich bin zuversichtlich, denn ein großer Pluspunkt an Wuppertal ist das hohe Maß an Identifikation und Verantwortung, das die Bürgerinnen und Bürger — wie auch viele Wuppertaler Unternehmen — auszeichnet. Insofern bin ich überzeugt davon, dass dies gelingen kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das Orchester eine nachhaltige Perspektive bekommt, denn kein Sponsor wird in ein Projekt investieren, das nicht wenigstens mittelfristig eine erfolgreiche Zukunft verspricht.
Welche künstlerischen Ziele gibt es in naher bis mittelfristiger Zukunft?
Kamioka: Heutzutage klingen viele Orchester gleich. Ich wollte immer ein Orchester mit einem besonderen und unverwechselbaren Klang haben. Diese Einzigartigkeit möchte ich weiter pflegen.
Wird es eine dritte Japan-Tournee geben?
Kamioka: Die diesjährigen Katastrophen und die daraus resultierende schlechte wirtschaftliche Lage lassen momentan leider keine erneute Tournee in meinem Heimatland zu. Es gibt keine konkreten Pläne, aber ich bin ganz sicher, dass es uns irgendwann erneut nach Japan führen wird.