Konzert: Sänger erschaffen die Welt
„Die Schöpfung“ kann sich hören lassen. Das Oratorium beweist: Haydn lebt.
Joseph Haydn ist seit 200 Jahren tot. Aber Haydn lebt. Sinnfälliger als mit der Aufführung seines Oratoriums "Die Schöpfung" konnte man am 31. Mai nicht seines Todestages gedenken. Im vierten und letzten Chorkonzert der Saison präsentieren Sinfonieorchester, Chor der Konzertgesellschaft (Einstudierung: Marieddy Rossetto) und Solisten einen höchst lebendigen Haydn.
Genial beginnt die Schilderung der Genesis mit der "Vorstellung des Chaos", aus dem der Kosmos entstand. Andreas Spering dirigiert das Vorspiel, das wie der Urknall mit einem einzigen Schlag beginnt, mit bezwingender Ruhe. Leise verebben die Klänge, die Streicher verharren mit der Linken nicht im Dauervibrato: So kann Leere musikalisch klingen.
Die Solisten füllen ihre Rollen blendend: Große Beweglichkeit in den Registern, fülliges Volumen und klare Diktion beleben die tonmalerisch behandelten Texte. Die "schäumenden Wellen", das ungestüme Meer, der breite Strom erklingen in wogenden Streichern, ehe die Arie des Raphael mit einem romantisch-schlichten Lied schließt. Überhaupt weist Haydns Musik weit in die Romantik. Ebenso stark beruft sie sich aber auf barocke Formen, deren Strenge der Komponist abmildert.
Solostimmen und Chor oder Solo-Ensemble und Chor sind wirkungsvolle, reich gegliederte Kombinationen. "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes" ist ein nahezu opernhaftes Finale des ersten Teils. Die Chorstücke fordern den Konzertchor in hohem Maße: Der erste Chorsatz "Und der Geist Gottes" schwebt in sanftem Piano-Moll, ehe das Orchester mit glänzenden Trompeten aufstrahlt.
"Und es ward Licht" ist ein monumentales Klangerlebnis in gewaltigem C-Dur-Einbruch. Die aufwändigen fugalen Partien meistert der Chor sicher, er glänzt mit präzisen Einsätzen und folgt den extremen Dynamik-Anweisungen des Dirigats bedingungslos. So gelingen fesselnde Darstellungen.
"Vollendet ist das große Werk" - so jubelt der Chor freudig am Ende des zweiten Teils. Aber Raphael mahnt in eindringlichem Pianissimo: "Du wendest ab dein Angesicht, da bebet alles und erstarrt. Du nimmst den Odem weg, in Staub zerfallen sie." Tändelnd heiter geht es dagegen im Paradies des dritten Teils zu: Adam und Eva (Kay Stiefermann, Elena Fink) erkennen einander in leidenschaftlichen Duetten.
Nicht immer übereinstimmend agieren hierbei Chor und Orchester. Doch Dirigent Spering eint die Musiker im feierlichen, fugierten Schlusschor. Von Soli durchsetzt, klingt es machtvoll auf: "Singt dem Herrn alle Stimmen!"