Erste Gedok-Veranstaltung unter Corona-Bedingungen mit Silvia Munzón López, Martin Petschan und Annette Rettich Drei Künstler widmen sich der Stille
Erste Gedok-Veranstaltung unter Corona-Bedingungen mit Silvia Munzón López, Martin Petschan und Annette Rettich.
Schon Wilhelm Busch wusste es und verkündete 1872 in „Der Maulwurf“: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil stets sie mit Geräusch verbunden.“ Reine Stille zu genießen ist auch in der heutigen Zeit fast unmöglich geworden. Dafür sorgen permanente musikalische Beschallungen zum Beispiel in Kaufhäusern, Bahnhöfen und anderen öffentlichen Orten.
Eine akustische Umweltverschmutzung finden die Protagonisten der Veranstaltung „Die Stille vor dem Lärm vor der Stille“ im katholischen Stadthaus. Die Schauspieler Silvia Munzon Lopez und Martin Petschan loteten, zusammen mit der Cellisten Annette Rettich, die Grenzen zwischen Musik und Lärm aus. In ihrer Lesung fragten sie nach der Angst vor und der Sehnsucht nach der Stille. Zugrunde legten sie Texte unterschiedlicher Autoren, von Hans Magnus Enzensberger über Franz Kafka bis E.T.A. Hoffmann. „Lärm ist ein Gestank im Ohr“ (Ambrose Gwinnett Bierce) verkündeten sie, dazu Fenstergeklapper. „Es gibt vielerlei Lärme. Aber es gibt nur eine Stille“ (Kurt Tucholsky).
Mit eingängigen Zitaten eröffneten sie die Lesung. Bei Musikdarbietungen von Rettich überboten sich die Akteure stimmlich gegenseitig. In verschiedenen Genres wurde das Thema beleuchtet, zum Beispiel mit „Der Lärm. Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens“ (1908) von Theodor Lessing. Es war ein Konglomerat von Texten, Stimmen und Geräuschen und zwischendrin immer wieder Stille. Aus der Stadt wird sich auf das Land geflüchtet, dort ist es nicht besser, Schützenfestmusik, Traktoren- Tiergeräusche. Ob in der Wüste oder auf der See, dem Lärm ist kaum zu entkommen.
Auf elektronische Geräuschquellen wurde verzichtet
Eindringlich lasen Munzon Lopez und Petschan, auf elektronische Geräuschquellen wurde bewusst verzichtet. Im Zusammenspiel von Cello und Stimmen begab man sich an die Grenzen, an denen Musik schmerzhaft und störend werden kann. „Über allen Wipfeln ist Ruh.“ aus des „Wanderers Nachtlied“ von Johann Wolfgang von Goethe erklang es leise, sanfte Celloklänge zu „Yesterday“ der Beatles oder „Die Moldau“ von Bedrich Smetana.
Dann wieder lagen Musik und Stimmen im Clinch, unterbrachen und störten sich. Über störende Einzelgeräusche wurde berichtet, über monotone Hintergrundgeräusche, die einlullen. Der Mönch mit dem Schweigegelübde erkennt, dass der Werbesprüche trällernde Idiot im Kopf er selber ist. Recht aktuell der Text aus der Neon Online von Juli 2018 zu „Deutschland ist, wenn selbst die ,Silent Disco’ zu laut ist.“
Mit Kopfhörern in die eigenen Klangwelten eingestöpselt wird sich die Frage gestellt, ob die folgenden Generationen automatisch immer lauter werden. Die Vögel singen schon höher, um sich gegen die permanenten Geräusche verständigen zu können. Fazit: „Der Mensch ist ein von Haus aus schreiendes Wesen.“ Die Akteure verlassen nacheinander den Raum. Stille.