Lesung Lesung im Swane-Café: „Sprache kann seelische Narben hinterlassen“

Wuppertal · Kübra Gümüsay trug aus ihrem Erstlingswerk „Sprache und Sein“ vor. Sie zeigte, wie sehr Sprache unser Denken prägt.

Kübra Gümüsay las im Café Swane aus ihrem Erstlingswerk.

Foto: Fischer, Andreas H503840

„Sprache und Sein“ heißt das erste Buch von Kübra Gümüsay. Darin beschreibt die Journalistin nicht nur, wie sehr Sprache unser Denken prägt. Es geht ihr auch um die handfesten politischen Konsequenzen. Wie fühlt es sich für Menschen an, die man ständig als Teil einer Gruppe definiert – und die dadurch als Individuen unsichtbar werden? Gibt es einen Ausweg aus den diskriminierenden „Sprachkäfigen“?

Diese Fragen fanden ein breites Echo, und „Sprache und Sein“ ist auf den Bestsellerlisten gelandet. Sie sei ein bisschen eifersüchtig auf ihr Buch, sagte Gümüsay bei ihrer Lesung im Café Swane. Während es analog und digital die Runde machte, habe sie wegen der Pandemie in Hamburg bleiben müssen. Mit den Gästen im Swane teilte sie gern ihre Erleichterung: „Ihr seid mein erstes Lesepublikum seit Corona!“

Für die Premiere sorgte Veranstalter Dirk Jädke von ADDE e.V. (Allianz für Diversität, Dialog und Empowerment), der auch die Diskussion um die Wuppertaler Mohrenstraße aufs Podium brachte. Umbenennen oder nicht umbenennen? Gümüsay musste nicht lange überlegen. Wie das „N-Wort“ stamme die Bezeichnung „Mohr“ aus der Zeit des Sklavenhandels. Sie verstehe nicht, warum manche „auf der Perspektive des Kolonialismus“ beharrten. Es sei bedenklich, dass die Kritik von Diskriminierten oft mit Beschwichtigungen à la „Stellt euch nicht so an“ abgetan werde. „Sprache kann seelische Narben hinterlassen“, resümierte die Autorin.

Dabei thematisiert ihr Debüt nicht nur die soziale Macht, sondern auch die poetische Kraft der Sprache. Gleich im Eingangskapitel nennt Gümüsay, die in einer türkischstämmigen Familie aufgewachsen ist und lange in England gelebt hat, eine Reihe ihrer Lieblingswörter. „Fernweh“ zum Beispiel bringe ein Gefühl auf den Punkt, das sie in anderen Sprachen erst lang und breit umschreiben müsse.

Problematisch ist für sie ein Sprachgebrauch, der statt Gemeinsamkeiten die Unterschiede sucht und verfestigt. In den Monaten nach dem Anschlag von Hanau hätten die jungen Opfer in der Öffentlichkeit als „Kinder der Anderen“ gegolten – und nicht als „unsere Kinder“.

Wie die Sprache künftig aussehen werde, wollte eine Zuhörerin in der Schlussrunde wissen. „Die Zukunft ist das, wofür wir die Weichen stellen“, antwortete Gümüsay. In jedem Fall müsse etwas gegen Rassismus und Sexismus im Sprachgebrauch getan werden. Bedrohlich sei beides. „Wir haben die Fähigkeit, über abstrakte Bedrohungen zu sprechen, und das sollten wir also tun.“ dad