Kunstwerke: Der Infrarot-Kamera entgeht nichts

Drei Experten untersuchen Gemälde von Hans von Marées.

Wuppertal. Die thematischen und formalen Innovationen von Hans von Marées machten den gebürtigen Elberfelder zu einem bedeutenden Wegbereiter der deutschen Moderne. Doch Kunst ist, salopp gesprochen, nicht allein dafür da, den Betrachter zu erfreuen - sie ist auch Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen.

In diesem Kontext ist der Besuch von Hans Portsteffen und Petra Demuth - beide sind Diplom-Restaurateure an der Fachhochschule Köln (Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften im Fachbereich Gemälde/Skulptur) - und Kristina Mösl zu verstehen, die als Diplom-Restaurateurin an der Alten Nationalgalerie in Berlin arbeitet. Auf Wunsch der renommierten Berlinerin werden einige Marées-Bilder im Von der Heydt-Museum ganz genau unter die Lupe genommen.

Von einer Infrarot-Anlage bestrahlt, begeben sich die Experten bei den Ölstudien stichprobenartig auf Spurensuche. "Wir sind auf der Suche nach Unterzeichnungen", erklärt Mösl. "Damit ist die unter einem Gemälde liegende Entwurfzeichnung gemeint, die die kompositorische Grundlage der eigentlichen Malerei ist."

Die Ausrüstung wird vor dem Werk "Die Ruderer" (1873) aufgebaut. "Wir suchen Motivkanten und helle Partien nach Spuren ab", erläutert Portsteffen die akribische Arbeit. "Die Infrarot-Kamera kann tiefer gucken als das bloße Auge", verweist Mösl auf das technische Hilfsmittel. Auf einem Monitor werden die Ausschnitte seziert. "Da sind Pünktchen", sagt Demuth und zeigt auf einen Ausschnitt, der rund um einen Winkel, gebildet aus Ruderer-Händen oben links auf dem Gemälde, entsteht.

"Ist das Zufall?", "diese stark gezeichnete Parallel finde ich auffällig", "nein, das ist gewischt" oder "das sieht mir ganz nach Pinselstrich" aus - so kommentieren die Restaurateure ein imaginäres Planquadrat nach dem anderen und suchen Merkmale von Unterzeichnungen. Nach mehreren Stunden an diversen Ölstudien kommt das Trio zum gleichen Resultat: "Es lassen sich keine graphischen Unterzeichnungen feststellen."

Was wie ein Null-Ergebnis klingt, ist von absoluter Relevanz für die Werkgenese: "Es zeugt von der absoluten Könnerschaft von Marées. Offensichtlich hat er seine Ölstudien einfach so aus der Hand gefertigt", erklärt Mösl.

Die Pinselunterzeichnungen lassen sich nicht nur als Ölfarbe identifizieren, sondern haben "eindeutig Maréeschen Duktus": "Die sind richtig mit Schmackes auf die Leinwand geworfen", erläutert Mösl die bemerkenswerte Technik des Malers. Und damit das Kunstinteressierte, die sich nicht allein dafür begeistern, was von Marées gemalt hat, sondern wie er arbeitete, formuliert sie die Wuppertaler Untersuchungsergebnisse jetzt für einen Katalogbeitrag der Berliner Ausstellung (Herbst 2008) gut lesbar aus.

"Die Ruderer" sind der Detailentwurf für ein Fresko, das Hans von Marées 1873 für die Bibliothek der "Stazione Zoologica" (Neapel) schuf. An der Decke sind die Ruderer Teil einer überwältigenden Wasserlandschaft und im Von der Heydt-Museum ebenso wie als Ölgemälde zusammen mit weiteren Bildern, Zeichnungen und Skulpturen bis zum 14. September zu sehen. Anschließend gehen die Marées-Bilder nach Berlin. Dort werden sie ab dem 30.September in der Alten Nationalgalerie zu sehen sein.