Christiane Gibiec: „Jeder, der brennt, sollte schreiben“
Interview: Im Oktober dreht sich in der Reihe „Wuppertal liest“ alles um den Krimi „Türkischrot“.
Frau Gibiec, wie fühlt es sich an, wenn das eigene Buch von der ganzen Stadt gelesen wird?
Christiane Gibiec: Dass das passiert, hätte ich nie gedacht. Es ist ein riesiges Kompliment. Ich habe die Reihe "Wuppertal liest" mitentwickelt, deshalb freut es mich umso mehr. Ich werde nie vergessen, wie ich den ersten Autoren, Uwe Timm, betreuen durfte. Das war ein unglaubliches Erlebnis. In dieser Reihe zu stehen, ist sehr ehrenvoll.
Gibiec: Ich habe mich lange nicht getraut - aber davon geträumt. Angefangen habe ich mit fiktionalen Geschichten für den Hörfunk. Das waren viele kleine Fingerübungen. So habe ich mich langsam an einen ganzen Roman herangearbeitet.
Gibiec: Es ist nicht einfach, davon zu leben. Man muss um jeden Cent kämpfen, ist nur mit acht bis zehn Prozent am Verkauf beteiligt. Grundsätzlich würde ich aber sagen: Jeder, der brennt, sollte schreiben.
Gibiec: Nachdem ich den Korruptionsroman "Mata Hari" geschrieben hatte, sagte mein Verleger: "Schreiben Sie doch mal einen historischen Roman." Ich bekam große Lust, mich ins alte Barmen zu versetzen, und war sehr inspiriert von dem Bühnenstück "Die Wupper" von Else Lasker-Schüler, das ich rauf- unter runtergelesen hatte. Ein halbes Jahr habe ich dann im Stadtarchiv und im Engels-Haus recherchiert. Ich fing an, eine Geschichte zu stricken - und die Figuren bekamen ein Eigenleben.
Gibiec: Auf jeden Fall. Jede Figur hat Charakterzüge von Menschen, die ich kenne. Meine Oma hat selbst als Dienstmädchen gearbeitet. Davon hat sie mir stundenlang erzählt. Rieke, die Hauptfigur in "Türkischrot", ist ja auch ein Dienstmädchen - eine mutige Heldin, die so ist, wie man wohl selbst gerne wäre.
Gibiec: Ich bin eine disziplinierte Tagesarbeiterin. Morgens kümmere ich mich zuerst um meinen Brotberuf. Wenn der abgeschlossen ist, kommt das Literarische.
Gibiec: Was soll ich dazu sagen? Ich finde, es passt gut zu 200Jahre Barmen, und bin deshalb stolz und glücklich.
Gibiec: Ja, wir sind alle sehr einsam an unseren Schreibtischen. Es gibt tatsächlich einen starken kollegialen Zusammenhalt. Hermann Schulz (Anm. d. Red.: dem "Wuppertal liest"-Autoren vom vergangenen Jahr) habe ich gerade erst Teile eines neuen Manuskripts zum Lesen gegeben. Auch zu Karl Otto Mühl und vielen anderen Kollegen gibt es eine starke Verbundenheit. Wir setzen ja auch Einiges in Bewegung.
Gibiec: Wir organisieren Schullesungen und wollen ein regelmäßiges Schul-Lesefestival etablieren. Wir ziehen alle an einem Strang. Erfreulich ist auch, dass unter den 20 Wuppertaler Autoren, die sich in unserer Initiative zusammengetan haben, viele junge sind.
Gibiec: Das stimmt und ist einfach wunderbar. Der Roman wird von 300 bis 400 Schülern pro Jahr gelesen. Es gab schon wunderschöne Schulprojekte, in denen die Schüler Stadtpläne gebastelt oder Teile des Buches übersetzt haben. Das hat mich sehr berührt.
Gibiec: Ich begleite gerade eine Grundschulklasse in Hagen - das Experiment geht über vier Jahre. Die Schüler schreiben unter meiner Anleitung jedes Jahr ein Buch. Zuletzt entstand eine Geschichte über ein Krokodil. Der Abschluss war ein Besuch bei einem richtigen Krokodil im Wuppertaler Zoo. Nächstes Jahr wollen wir etwas mit Gedichten machen. Das Kulturamt Hagen fördert das Projekt. Ich würde so etwas wahnsinnig gerne auch in Wuppertal anbieten.
Gibiec: ...ja, zum Beispiel für "Streit um drei". Das hat Spaß gemacht, die Reihe wurde aber leider eingestellt. Das Fernsehen ist ein Haifischbecken - ein schwieriger Markt, auf den ich nicht mehr dränge.
Gibiec: An einem biografischen Roman über Else Lasker-Schüler. Das ist eine großartige literarische Figur, eigentlich Stoff für einen Hollywood-Film.
Gibiec: Ich bin ein großer Fan des amerikanischen Romans, abgesehen davon eine Viel- und Allesleserin. Auf meinem Nachttisch liegt eigentlich alles - von Klaus Mann bis Jonathan Safran Foer. Den habe ich gerade erst für mich entdeckt.