"La Bohème" - Ein Regisseur erklärt die Liebe
Jan David Schmitz über die Feinheiten der Theaterarbeit.
Wuppertal. Es gibt Regisseure, die aus ihrer Arbeit ein so großes Geheimnis machen, dass es einfacher wäre, das Bernsteinzimmer zu finden, als ihnen Details zur anstehenden Premiere zu entlocken. Es gibt allerdings auch Künstler, die so impulsiv über ihre Visionen sprechen, dass weniger Kreative Mühe haben, ihnen zu folgen.
Jan David Schmitz passt in keine der beiden Kategorien. Er spricht mit sichtlicher Begeisterung über "La Bohème". Die Augen glänzen, er kommt beim heiteren Erzählen schnell von einer Szene zur nächsten, trotzdem bringt er seine Vorstellungen konkret auf den Punkt.
"Puccinis Oper ist ein wahnsinnig bekanntes, viel gespieltes Stück. Damit einhergeht, dass jeder von vorneherein feste Vorstellungen hat", betont Schmitz. "Natürlich muss man sich als Regisseur dann fragen: Welchen speziellen Blick möchte ich auf das Stück werfen?" Die Antwort gibt es jetzt schon: Der 33-Jährige, der mit "La Bohème" am Sonntag um 18 Uhr im Opernhaus Premiere feiert, hat die Liebe im Blick. "Ich finde es faszinierend, wie sich die beiden Paare unterscheiden. Die zentrale Frage ist doch: Wie sehen ihre Beziehungen aus?"
Schmitz meint Mimi (Sylvia Hamvasi/Banu Böke), die Rodolfo (Iago Ramos) schnell in ihren Bann zieht und die romantische Liebe sucht - im Gegensatz zu Musetta (Elena Fink/Dorothea Brandt) und Marcello (Kay Stiefermann/Thomas Laske), die die emanzipierte, freie Liebe leben.
Ein entscheidender Punkt sei deshalb, dass Mimi durchaus wisse, dass sie sterben wird: "Tuberkulose war im 19. Jahrhundert eine Volkskrankheit. Die Leute kannten die Symptome. Daraus ergibt sich eine interessante Sicht auf Mimi." In Wuppertal klopft die Näherin gezielt an die Tür eines benachbarten Ateliers, in dem sie auf den Künstler Rodolfo trifft: "Es ist ein bewusstes Anbandeln." Und damit der Beginn einer Liebe, "von der sie weiß, dass es die letzte wird. Sie soll noch einmal eine sehr schöne sein."
Auch ein anderer Knackpunkt animierte Schmitz zum Spiel mit Kontrasten: "Es ist Winter, aber die Künstler sitzen vorgeschriebenermaßen vor dem Café. Weshalb? Die Oper spielt um 1830. Damals war man von Heizstrahlern noch weit entfernt." Schmitz wunderte sich erst, fand dann aber eine Erklärung, die er nun zum Thema macht: "Es gibt einen starken Unterschied zwischen drinnen und draußen, zwischen denen, die dazugehören, und denen, die reinkommen wollen."
Die Geschichte um vier Pariser Künstlerfreunde wird eine "technisch aufwändige Produktion mit 150 Kostümen", wie der Regisseur verspricht: 100 Akteure stehen auf der Bühne, fast alle großen Partien sind doppelt besetzt.
Der Professoren-Sohn aus Bonn kann in diesem Monat übrigens gleich doppelt feiern: am 19. September die Opernpremiere, am 29. September den 34. Geburtstag. Kein Wunder, dass der studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaftler bestens gelaunt ist - und seine Fähigkeit, Feinheiten auf den Punkt zu bringen, mit einem Augenzwinkern kommentiert: "Dass mein Vater Kommunikationswissenschaftler ist, mag mir geholfen haben."