Lutz Wessel und das unbekannte Paradies
Der Darsteller spricht über „Käthe Hermann“.
Herr Wessel, Sie sind derzeit im Kleinen Schauspielhaus in einem wortgewaltigen Drama zu erleben. Was fasziniert Sie an „Käthe Hermann“?
Lutz Wessel: Die Sprache der Figuren hat eine starke Sogwirkung. Das Stück funktioniert darüber, wie die Figuren sich ausdrücken — eben nicht im körperlichen Sinne, sondern im Denken, im Sprechen. Sie bewegen sich in einer Gedankenwelt. Fast alles, worüber sie reden, findet in der Außenwelt statt. Es sind Utopien, Wünsche, Visionen, die zum Ausdruck kommen. Weil die drei, also Mutter, Tochter Irmi und Sohn Martin, in ihrer realen Welt — der kleinen, vor dem Abriss bedrohten Wohnung — eigentlich nicht überleben können, schaffen sie sich Traumwelten. Das unbekannte Draußen wird manchmal zum Paradies, dann wieder zur Bedrohung erklärt. Die Mutter ist ständig damit beschäftigt, das Letzte, was ihr noch blieb, nämlich ihre beiden erwachsenen Kinder, an der Kandare zu halten. Wie sie agiert, mit welchen Mitteln ihr das mal mehr, mal weniger oder am Schluss vielleicht sogar vollends gelingt, das macht das Stück so mitreißend. Weil jeder so etwas kennt, wenn auch vielleicht nicht in dieser Krassheit. Es geht um innerfamiliäre Manipulation bis zum bitteren Ende — bei aller Komik aber, denn die verzweifelte Unbeholfenheit, aus der der Erfindungsreichtum der Geschichten entsteht, die die drei sich erzählen, lässt einen ungewollt laut auflachen.
Sie spielen den gelähmten Martin. Wie charakterisieren Sie ihn?
Wessel: Gegenfrage: Spiele ich wirklich den „gelähmten“ Martin? Von einer Lähmung ist im Stück ja nicht ein einziges Mal die Rede, sondern vom Krüppel. Möglicherweise wird Martin von der Mutter ja nur zum Krüppel gemacht, indem sie es ihm immer wieder einredet. Wie dem auch sei, jedenfalls hat die Übermacht der Mutter nicht wirklich positive Auswirkungen auf Martins Selbstwertgefühl. Er sucht Linderung in den seltenen intimen Momenten mit seiner Schwester. Da kann er träumen — von Autos, Pferden, Zigaretten, Mädchen . . .
Gibt es eine Lieblingsszene?
Wessel: Nein. Lieblingsszenen gibt es nicht. Grundsätzlich.
“ „Käthe Hermann“ wird an diesem Samstag im Kleinen Schauspielhaus aufgeführt. Anne Leppers Stück ist auch am 4. und 5. Januar zu sehen. Die Vorstellungen beginnen um 20 Uhr. Karten gibt es an der Abendkasse und unter www.wz-ticket.de