Musik: Ein Pianostar im Poprausch
Immanuelskirche: Richard Clayderman verteilt Notenblätter und Handküsse. Nur die Klassik kommt zu kurz.
Wuppertal. Hans Liberg, der begabte niederländische Musikkabarettist, hatte noch vor wenigen Tagen in der Wuppertaler Stadthalle gefeixt: "Klassische Musik ist viel zu lang. Zwei, drei Töne am Anfang, Schlussakkord, fertig." Wie Recht er hat, zeigte Richard Clayderman am Samstagabend in der Immanuelskirche.
Der Pianist, der Ende der 70er Jahre mit der "Ballade pour Adeline" berühmt geworden war und später mit verjazzten Bach-Aufnahmen, sanften Romantik-Einspielungen und einer Kooperation mit James Last 70 Platin-Schallplatten erhielt, streicht Beethovens 5. Symphonie auf ein Minimum zusammen: Tatata-Taaa, dann Schlagzeug vom Band, ein Schlussakkord, wieder wummernde Bässe, zwischendurch noch ein paar Töne Durchführung - und fertig ist die Beethoven-Bearbeitung.
Ansonsten meidet der Pianist in Wuppertal die Klassik weitgehend. Sein Streichtrio (sorgsam ausgewählt: eine Dame blond, eine brünett, eine schwarzhaarig) spielt zu Beginn den unverwüstlichen Pachelbel-Kanon. Dann lässt Clayderman einen Film- oder Pop-Hit auf den nächsten folgen: "Titanic", "Don’t cry for me Argentina", "Love Story".
Vom Band säuseln die Streicher, peitschen Bässe, zirpt die Harfe, das Streichtrio zupft an den Saiten, und manchmal ist der extra mitgebrachte Steingraeber-Flügel daneben kaum noch zu hören. Clayderman grinst ins Publikum, wirft seinen Tongirlanden ein "hej!" hinterher, animiert zum Mitklatschen und verteilt seine kopierten Notenblätter großzügig im Publikum.