Musik-Experiment: Wortfetzen in Neue Musik übersetzt
Mit Thomas Beimels „Vom guten Ton — Die Welt ist voller Geplapper“ präsentieren Freie Szene und städtischer Kulturbetrieb ein gelungenes Experiment.
Wuppertal. Ein Laienorchester — die Mandolinen Konzert-Gesellschaft Wuppertal (Makoge) — vier Profi-Bläser des Sinfonieorchesters mit Fagott, Oboe, Trompete und Horn, Sänger aus dem Opernensemble und Gastsänger: Für sie hat der Wuppertaler Komponist Thomas Beimel sein Musiktheater „Vom guten Ton — Die Welt ist voll Geplapper“ geschrieben.
Zusammen mit dem Libretto von Cornelie Müller, die auch die wandelbaren Bühnen-Elemente erdachte und Regie führte, entstand im Kleinen Schauspielhaus an der Kluse ein bemerkenswert geschlossenes Ganzes. Nicht im Sinne einer durchgehenden, schlüssigen Handlung, sondern in einzelnen Szenen, mit Zwischenspielen, Ouvertüre und Finale.
Die Sängerinnen und Sänger (Dorothea Brandt, Michaela Mehring, Jud Perry und John Janssen) haben die Partitur verinnerlicht — nicht einfach, im nicht-tonalen Raum zu singen. Die Szenen beleuchten bekannte Situationen: Bei einer Vernissage, beim Leichenschmaus, bei einer Geburtstagsfeier, beim Angeln, beim Kegeln, im Paternoster oder beim Abhängen am Lido in Venedig. Was sie singen, hat oft keinen Sinn, es sind Worthülsen der Alltagskommunikation, die ästhetisch umgedeutet werden. Nur manchmal kippt die distanzierte Stimmung: Etwa wenn beim Leichenschmaus der Terminus „Judenschule“ fällt: Sofort assoziieren die Sänger Namen von berühmten Verfolgten des Nationalsozialismus zu aufgeregten Trompeten-Skalen. Oder beim Geplänkel auf der Geburtstagsfeier, wenn plötzlich auf die fehlende Familie hingewiesen wird: Familien-Gespenster sitzen am Tisch, dem Jubilar ist zum Weinen zumute.
Aber das Stück hat auch viele humorvolle Einlagen: Die „Pling“-Intonation der Gläser, das verquere „Brüderchen, komm tanz mit mir“, das „mmm, mmm“ beim Angeln als bedeutsame Wortlosigkeit oder die Parodie italienisch angehauchter Musik von Mandolinen, wenn die Protagonisten mit Sonnenbrillen beim Beobachten flanierender Menschen in Venedig genüsslich abhängen.
Die Zupfer unterlegen die „Gespräche“ mit Tonfolgen, Akkord- oder Tremolo-Clustern, die Bläser begleiten Worte mit Tonskalen, die die Entsprechung zur Sprache sind. Ton und Text bilden so selbst eine Art Gesprächsebene.
Großes Lob verdienen das Zupforchester, das angenehm präzise und sauber spielt, die Bläser, die lupenrein und technisch perfekt agieren, die Sängerinnen und Sänger mit größtenteils volumenreichen, beweglichen Stimmen und deutlicher Artikulation. Und natürlich erntet Dirigent Detlef Tewes Hochachtung, der mit sicherem Gespür durch die anspruchsvolle Partitur lotst
Thomas Beimel, dem Wuppertaler Komponisten, kann man nur beglückwünschen zum Mut, Alltagswortfetzen in hörbare Neue Musik zu übersetzen.
Und das Experiment, dass freie Szene und städtischer Kulturbetrieb, Laien und Profis miteinander kooperieren, findet großen Beifall beim Premierenpublikum. Es ist gelungen und bleibt hoffentlich kein Einzelfall.