Operette „Das Land des Lächelns“ ist etwas fürs Auge

Die Ohren fühlten sich bei der Premiere der Operette weniger wohl.

Ralitsa Ralinova in ihrer Rolle als „Lisa“.

Foto: Bettina Stoess

Man schreibt das Jahr 1912. Wien ist die Hauptstadt der k. u. k. Monarchie. In China herrscht die Qing-Dynastie mit Sitz in der Verbotenen Stadt im Zentrum Pekings. Mondän geht es in beiden feudalen Kreisen zu. Ganz verschieden sind natürlich die Kulturen, anders die Sitten, Gebräuche und die höfische Etikette. Aus diesem Stoff schuf 1929 Franz Léhar seine auch heute noch allseits beliebte romantische Operette „Das Land des Lächelns“, das nun in den nächsten Monaten im Wuppertaler Opernhaus zu sehen und zu hören ist.

Aufgrund knapper Kassen wird mancherorts aus der Not eine Tugend gemacht: Häuser kooperieren. In diesem Fall sind es das Theater Erfurt (Inszenierung: Guy Montavon) und die Oper Hongkong (Bühnenbild und Kostüme: Hsiu-Chin Tsai), mit denen man zusammenarbeitet.

Die Produktion ist etwas fürs Auge. Es gibt keine kargen, nur die Handlung andeutende Kulissen. Der Wiener Salon ist Luxus pur, der chinesische Palast pompös. Opulent sind die den Originalen nachgemachten Kostüme. Der Geschmack der damaligen Zeit wird formvollendet widergespiegelt. Kleine Situationskomik ist in die Regiearbeit eingebaut, wenn etwa Mi zuerst im Tennisdress daherkommt, dann einen Striptease zum Besten gibt oder der chinesische Diener albern daher kommt.

Die Ohren fühlen sich dagegen weniger wohl. Die Musik kommt zwar sauber und nuanciert aus dem Orchestergraben. Das Sinfonieorchester Wuppertal übernimmt genau an die Anweisungen von Johannes Pell, 1. Kapellmeister der Wuppertaler Bühnen. Akribisch hält er sich an die Partitur. Doch Operettenmusik bietet viel mehr Spielraum als exakte Notenwiedergabe, etwa wenn es um den Wiener Dreivierteltakt geht. Wird er, wie es hier geschieht, exakt gleich einer Schweizer Uhr gespielt, wirkt er steif, ohne Schwung. Zudem werden etliche Tempi zu behäbig genommen, wie direkt ganz zu Anfang der Ouvertüre. Auch fehlt den zu Schlagern gewordenen Hits wie „Gern, gern wär ich verliebt“, „Von Apfelblüten einen Kranz“ oder „Im Salon zur blauen Pagode“ der „Schmäh“.

Diese, in Richtung akademischer Haltung orientierte Auffassung übernehmen die Protagonisten. Sangmin Jeon (Prinz Sou-Chong), Ralitsa Ralinova (Lisa), Mark Bowman-Hester (Graf Gustav von Pottenstein) und Nina Koufochristou (Mi) singen zwar tadellos mit in allen Registern locker-beweglichen Stimmen. Die Schnulzen kommen aber wie klassische Kunstlieder aus den Mündern. Den Evergreen „Dein ist mein ganzes Herz“ zum Beispiel, Richard Tauber auf den Leib geschrieben, machten in der Nachfolge Rudolf Schock, Fritz Wunderlich und René Kollo dank ihres herzergreifenden Schmelzes in der Stimme weltweit mit zu den populärsten Stücken der Unterhaltungsliteratur. Davon ist jedoch hier wie bei allen anderen Ohrwürmern nichts zu spüren, da die Buffo-Rollen nicht adäquat ausgefüllt werden. Auch die von den legendären Sängern gesungenen Spitzentöne gibt es nicht.

Außerdem sind die Übertitel bei den Arien und Duetten nützlich, da es manchmal an der Textverständlichkeit hapert. Der Opernchor (Einstudierung: Markus Baisch), der auch die Nebenrollen wahrnimmt, überzeugt dagegen in Wiener Kreisen wie am Hofe in China mit homogenen Gesängen.

Der Wiedererkennungswert ist beim Premierenpublikum hoch. Bei vielen Liedern bewegen sich die Lippen mit, wahrnehmbar oder stumm wird mitgesungen. Als der Vorhang zum zweiten Akt hochgeht, wird aufgrund des Bühnenbilds begeistert geklatscht. Es gibt Bravo-Rufe und stehende Ovationen zum Schluss für alle Sänger, Musiker, den Dirigenten und das Regieteam.

Weitere Vorstellungen in diesem Jahr: 21. Oktober, 13., 17., 30. November, 15. und 28. Dezember. Vier weitere Vorstellungen im Januar (12.), Februar (8. und 16.) und März (10.).

Dauer: etwa zweieinhalb Stunden inklusive einer Pause nach dem 1. Akt.