Dirigent Orchester und Kapellmeister im Takt

Johannes Pell dirigiert sein erstes Sinfoniekonzert mit den Wuppertaler Sinfonikern.

Der erste Kapellmeister des Sinfonieorchesters Wuppertal, Johannes Pell, dirigiert das zweite Sinfoniekonzert der Saison.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Jeder will ein Sinfoniekonzert dirigieren, auch weil man sich da wunderbar auf die Musiker konzentrieren kann – davon ist Johannes Pell überzeugt. Die handwerkliche Basis aber sei die Oper, bei der viele verschiedene Mitwirkende zu berücksichtigen seien. In Wuppertal schwingt der erste Kapellmeister des Sinfonieorchesters am kommenden Sonntag den Taktstock – sein erstes Sinfoniekonzert mit diesem Klangkörper. Weil sich die Musiker für ihn stark gemacht haben, was ihn freue und ehre. Persönliches I-Tüpfelchen: Auf dem Programm stehen einige seiner Lieblingsstücke.

Johannes Pell wurde 1982 in eine musikalische Familie hinein geboren. Vater und Schwester spielten Instrumente und weil in Österreich das Singen einfach dazugehöre, sang auch Johannes. Mit neun Jahren kam er zu den Florianer Sängerknaben und entdeckte dort seine Liebe zum Klavier. „Ich war so begeistert, dass ich gerne geübt habe“, erinnert er sich. Ganz im Gegensatz zur  Schwester, die  ihren Bruder zunähst vom Erlernen eines Instruments abgeschreckt hatte. 1999 folgte für Pell das Klavierstudium in Wien, zum Ausgleich sang er im Chor, wo er prompt ans Klavier gesetzt wurde, um hauptsächlich Oratorien zu begleiten.

Der organisatorische Zufall wollte es, dass er einmal die Herren des Chores in einer Probe anleiten sollte. Er fand Spaß daran, wuchs über weitere (Vertretungs-)Einsätze des Leiters langsam ins Chordirigat hinein. 2003 nahm er in Salzburg ein Chordirigierstudium auf, das er von 2005 bis 2009 durch ein Dirigierstudium ergänzte. Vier wunderbare Jahre habe er damals verbracht, tagsüber studiert, abends Chöre dirigiert. Die anfängliche Unsicherheit, die er beim Wechsel vom Chor zum Orchester spürte, überwand er, schätzt rückblickend die damit verbundene Auseinandersetzung mit sich selbst.

Das Dirigierdiplom in der Tasche spielte Pell 2009 am Theater Erfurt vor. „Ich wollte nicht wissenschaftlich weiterarbeiten in einem Beruf, in dem Praxis alles ist. Das Masterstudium wäre Zeitverschwendung gewesen“. Auf Erfurt folgte als zweite Festanstellung 2013 Bonn. Außerdem gab er in vielen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz Gastkonzerte, dirigierte unter anderem das Leipziger Gewandhausorchester, erweiterte Repertoire und Know-how, „der Beruf läuft über Erfahrung, das Studium ist wichtig, aber am Ende lernt man in der Praxis“.

Das Studium ist wichtig, gelernt wird am Ende  in der Praxis

Eine Praxis, die ihn unterschiedliche Orchester kennenlernen ließ. Auch wenn die Einigung auf den sauberen Schlag mit dem Taktstock eine gute und allseits anerkannte Basis sei, das Klangempfinden der Orchester sei schon unterschiedlich, „manche haben den deutschen Klang, andere einen transparent leichten“. Und das Wuppertaler Sinfonieorchester? Das sei prädestiniert für die deutsche Romantik.

Wuppertal lernte Johannes Pell in zwei Anläufen kennen: „Ich habe 2015 für die Generalmusikdirektorenstelle vordirigiert.“ Weil er nicht genommen wurde, wollte er sich im Jahr darauf nicht auf die Stelle des ersten Kapellmeisters bewerben, ließ sich aber vom Konzertmeister dazu überreden. Mittlerweile ist er längst heimisch geworden, genießt vor allem, dass er schnell im Grünen ist, freut sich auf das zweite Kind, das im März geboren werden soll. Die vierte Spielzeit hat begonnen, das Dirigat in der Stadthalle steht an, in einem Konzertsaal, der seiner Meinung nach nicht nur optisch, sondern auch akustisch viel zu wenig gewertschätzt werde. Natürlich strebe er auch mal eine Chefposition an, schließe auch eine Rückkehr nach Österreich nicht aus – jetzt aber sei er erstmal in Wuppertal.