Kultur Wuppertal in Bewegung
Wie die Kultur Gesellschaft und Planet bewegt.
Et plästert. So begann Max Christian Graeff kürzlich seine Kolumne. Immer noch fegt und stürmt es. Aus kurzen werden nasse Wege, zu Fuß, auf dem Rad, unterwegs in der Stadt. Die Erde freut sich über den Regen. Die Pegel der Gewässer, Wupper, Rhein, Ruhr, erreichen langsam wieder gewohnte Stände. Regeneration. Die Natur zeigt uns so greifbar mit ihren Jahreszeiten, wie bewegte Kreisläufe aussehen können. Sie reagiert zuverlässig, zusehends radikal, mehr als es Menschen in Politik und Verwaltung häufig vermögen, um unsere Gesellschaft ins Lot zu bringen und zukunftsweisend mit ihr umzugehen.
Das Bewegen zieht sich wie ein Leitmotiv durch unsere Stadt, visionär über die Kunst. „Mich interessiert nicht wie Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt“: So inspirierte Pina Bausch Menschen weit über das Tal hinaus. Bewegte Menschen wiederum bewegen unsere Stadt, das machen kleine und große Initiativen, Gruppen, Projekte wie die Nordbahntrasse, Utopiastadt, die Critical Mass, jüngst die Mobilstation und die immer wieder überschäumende Kreativität der Kunstszene spürbar.
Projektionen, Vibraphon-Klänge von Matthias Goebel, bemalte Schilder, rollende Bürostühle und eindringliche Fragmente eines gemeinwohlorientierten Leitbildes via Mikrofon: Mit „Bewegen - Zukunftskunst und nachhaltige Mobilität“ kamen am 10. und 11. Oktober zu den „Bergischen Klimagespräche 2019“ – von Uwe Schneidewind und Wuppertal Institut möglich gemacht – 40 Mobilitätsforscher, -aktivisten und Künstler*innen zusammen. Faszinierend, was in zwei Tagen über einen kreativ-experimentellen Freiraum gemeinsam entsteht: Wie sieht die Raumverteilung in unserer Stadt aus? Wie steht es um Verbote? Wie übt sich ein Perspektivwechsel? Was bringt Querdenken? Und was braucht eine Mobilitätswende, die Menschen miteinander verbindet? Das beschwingende Bewegungsmanifest am Freitagabend im Codeks war eine performative Skizze. Spannend bleibt, welche Kreise die kreativen Dialoge und Impulse ziehen, was konkret daraus entsteht.
Warum ist Kunst für die Stadt, ein „Wuppertal in Bewegung“ so wichtig? Üben, probieren, wagen, riskieren: Kunst ist immer eine Reise mit ungewissem Ausgang. Mit „rotation 360°“ stellen im Codeks derzeit Brigitte Baumann, Cornelia Ernenputsch und Gisela Kettner 90 quadratische Leinwände aus. Sie haben sich als Künstlerinnen aufeinander eingelassen, die Bilder gestaltend weitergereicht und dabei auf die Perspektive der jeweils anderen aufgebaut. Nur wenige Meter weiter in Elberfeld ist im Grölle Pass Projects die „Office for Joint Administrative Intelligence“ von Chris Dreier und Gary Farrely mit „Know You Place“ zu sehen. Ganz eigentümlich ist ihre obsessive Recherche zu Heldenverehrung, Verschwörungstheorie und institutioneller Macht, die uns dreist und lebendig die Konstruktion, Beweglichkeit und Gestaltbarkeit von Wirklichkeit und Macht vor Augen hält. Nächstes Wochenende übrigens mit anderen performativen Kunstkollektiven und der „European Conference of Institutional Ideators“.
Was geschieht, wenn wir erleben, dass wir „denselben Geist atmen“, wie der Karikaturist André POLOczek in den Grölle-Räumen so schön sagte? Dieselbe Luft? Kunst kann das: Gemeinschaft, Mut und Perspektivwechsel erfahrbar machen. Was braucht es im eigensinnigen Wuppertal, weltweit? Kunst! Mehr Menschen, die sich dafür öffnen! Eine häufig viel zu starre Politik und Verwaltung, die lernt, sich zu bewegen! Es gilt, Gesellschaft und Planet mit Schwung und Liebe zur Zukunft auszuloten, sie ganz einfach zu retten.