Roulette-Tickets: Mit Glück statt Geld ins Theater
Mit einem speziellen Angebot für Wuppertal-Pass-Inhaber wagt das Taltontheater ein Experiment. Fast kostenlos können Einkommensschwache dabei Theaterkarten bekommen. Was sagen andere Bühnen dazu? Die WZ hat nachgefragt.
Wuppertal. Glücksspiel im Theater? Der Titel macht jedenfalls hellhörig. Und er gehört zu einem Experiment: Wenn das Taltontheater im Januar seine neue Bühne an der Wiesenstraße eröffnet, möchte das Ensemble seine Gäste nicht nur mit neuen Produktionen, sondern auch mit einem ungewöhnlichen Angebot erfreuen: Künftig gehört auch das Roulette-Ticket zum Programm.
Wer einen Tisch wie in einer Spielbank erwartet, sollte sich allerdings darauf einstellen, dass keine Kugel rollt. Denn der Name ist nur symbolisch zu verstehen: Klassische Roulette-Fans werden nicht auf ihre Kosten kommen — dafür sollen diejenigen vom neuen Angebot profitieren, die sich den Theatergenuss sonst nicht leisten könnten. Mit anderen Worten: Roulette-Tickets können Gäste erwerben, „die Hartz IV, Grundsicherung oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen“ — sofern die Vorstellung nicht ausverkauft ist.
Schauspieler David Meister legt die Karten sprichwörtlich auf den Tisch — und macht kein Geheimnis daraus, was hinter der Idee steckt. „Ein volles Haus ist immer nett“, erklärt er. „Bevor es leere Plätze gibt, möchten wir sie lieber vergeben. Außerdem ist uns wichtig, dass jeder Kultur erleben kann.“ Mit zwei speziellen Angeboten möchte das Taltontheater die speziellen Gäste locken: Drei Euro zahlt ein Berechtigter, fünf Euro kostet die Doppelkarte für zwei Personen. Roulette-Ticket heißt das Angebot, da es die Karten nur an der Abendkasse gibt — und dort kurzfristig entschieden wird, wo die Roulette-Käufer sitzen. So sei das Angebot „ein bisschen Glücksspiel im Theater“.
Das Ensemble hat das Konzept in Berlin entdeckt und möchte es nun auf Wuppertal übertragen. Ob am Ende — wie in der Hauptstadt — auch andere Bühnen mitziehen? „Bisher gibt es so etwas im Leo-Theater nicht“, sagt Bühnen-Chef Thorsten Hamer auf WZ-Nachfrage. „Aber die Idee finde ich großartig.“ Deshalb denkt er auch über ein ähnliches Angebot nach. „Ich weiß noch nicht, in welcher Form wir so etwas anbieten können, da wir ja keinerlei Subventionen erhalten. Wahrscheinlich werden wir auch den Wuppertal-Pass akzeptieren — beginnend mit der neuen Spielzeit.“ Derzeit biete man immerhin schon einen Studenten-Preis an — fünf Euro kostet die Karte.
Im TiC-Theater indes hat man bereits Erfahrungen gesammelt. „Wir hatten vor einigen Jahren ein spezielles Abo für Gäste aufgelegt, die Grundsicherung beziehen“, erklärt Bühnen-Leiter Ralf Budde. „Wir hatten es ein, zwei Jahre lang im Programm, haben es dann aber eingestellt, weil die Resonanz gleich null war.“ Weshalb? „Es ist in gewisser Weise mit einem Outing verbunden. Das schreckt vermutlich ab.“ Budde räumt jedoch ein: „Vielleicht lag es auch daran, dass wir es nur als Abonnement angeboten hatten.“
Enno Schaarwächter schließlich spricht für die städtischen Bühnen, wenn er sagt, dass ein Roulette-Ticket nicht in Frage komme. Auch wenn der Geschäftsführer betont: „Die Idee des Taltontheaters ist gut.“ Der Auftrag eines subventionierten Theaters sei jedoch ein anderer. „Wir wollen ganz bewusst, dass alle Menschen zu einem bezahlbaren Preis ins Theater kommen — nicht als ,Glücksspiel’, sondern als kulturelle Grundversorgung, unabhängig von der Auslastung. Deshalb gibt es bei uns stolze 40 Prozent Ermäßigung auf allen Plätzen, mindestens aber sechs Euro, auch schon im Vorverkauf.“ Ermäßigungen, die im Einzelfall „Arbeitslose, Wuppertal-Pass-Inhaber und Studenten“ in Anspruch nehmen können.
Der Kreis derer, für die das neue Angebot des Taltontheaters grundsätzlich in Frage kommen könnte, ist alles andere als klein, wie eine Sprecherin der Stadt auf WZ-Nachfrage erklärt: Derzeit besitzen rund 53.600 Bürger einen Wuppertal-Pass.