Rundumblick mit Tiefenschärfe

Andy Heller zeigt in Berlin Stadtansichten aus Wuppertal.

Foto: Heller

Wuppertal. Sie hat sich ihr ganz eigenes Bild von Wuppertal gemacht. Während ihrer Streifzüge über die Nordbahntrasse hat Andy Heller die Stadt in den Fokus gerückt und ihren Bewohnern nachgespürt. Die menschenleeren Alltagsporträts der Fotografin verweisen indirekt auf das Leben zwischen Wohnblöcken und Asphalt. Es geht ihr um eine Spurensuche im menschengestalteten Lebensraum: Ein Auto, das im nächsten Moment davon fährt, ein ausgetretener Trampelpfad, ein vergessenes Graffiti, ein geöffnetes Tor. „Mit meinen Fotos suche ich das besondere im Normalen, den genutzten Raum fernab des Dekorativen“, berichtet die Künstlerin.

Foto: Andy Heller

Sie stellt ihre Wuppertaler Ansichten derzeit in der Galerie Loris an ihrem Wohnort Berlin aus. Die gebürtige Augsburgerin hat die Trasse durch das Bergische Land zufällig als Motiv entdeckt. Zu Besuch bei Freunden schaute sie sich rund um die ehemalige Station Ostersbaum um und fertigte erste Skizzen an. „Später bin ich noch ein paar Mal mit Kamera und Stativ zurückgekehrt, um den Ort kennenzulernen und ihn mir anzueignen“, berichtet die 40-Jährige. Aus einer erhöhten Position in die Stadt hinein zu schauen, hat sie fasziniert.

Die Fotos bilden einen Fensterblick mit Tiefenwirkung ab. Das feine Geäst von Bäumen und Sträuchern wirkt wie ein transparenter Vorhang, durch den der Betrachter hindurchschaut, um dann tiefer in das Bild einzutauchen. Das Auge gleitet über ein Garagendach, zwischen zwei Wohnhäusern über einen Grünstreifen zu einem Parkplatz, bleibt an einer weiteren Fassade hängen, überwindet sie und erklimmt den bewaldeten Hang dahinter bis zum Horizont. Die hügelige Topographie und die verschachtelte Architektur haben Heller gereizt, ihr Objektiv darauf zu richten.

Von ihrem Standpunkt aus hat sie das Stativ jeweils nur leichter verändert, um durch den wandernden Winkel eine Art Panorama zu schaffen. Es entsteht ein zeitversetztes Raumprotokoll, das eine Entwicklung zeigt. Ein Auto, das eben noch dort gestanden hat, ist in der nächsten Einstellung schon davon gefahren. „Mich reizen diese räumlichen Zusammenhänge und verwinkelte Kompositionen“, sagt Andy Heller. Sie wählt bewusst harte Anschnitte, damit der Betrachter das Bild weiterdenken kann. Die Konturen sind scharf und kantig: Die Äste entlaubter Bäume zeichnen sich vor einem grauen Himmel ab, eine Straße teilt das Bild in der Mitte, eckige Fenster durchbrechen triste Fassaden.

Postkartenmotive interessieren Andy Heller nicht. „Meine Bilder spielen jenseits des Repräsentativen.“ In San Francisco hat sie die verlassenen Habseligkeiten der Obdachlosen eingefangen, im Dorf ihrer Eltern die zuweilen schäbige Rückseite von Bauernhöfen fotografiert. „Mir geht es nicht darum, mit dem Finger darauf zu zeigen. Ich mag diese Orte und ich hoffe, das spürt der Betrachter auch.“