Taltontheater: Mutiges Bekenntnis zur Utopie
Kammerspiel: Das Wuppertaler Taltontheater bringt „Fräulein Julie“ ins Forum. Die Tragödie von August Strindberg hat heute Premiere.
<strong>Wuppertal. Eines sei direkt am Anfang verraten: Das Ende ist eine Überraschung. Zwar wird Fräulein Julie ihre unstandesgemäße Affäre auch in Wuppertal nicht überleben. Ihr Ende naht jedoch nicht etwa, weil ihr brutaler Geliebter, der elegante Diener Jean, die junge Grafentochter in den Selbstmord treibt und ihr im Streit ein Messer direkt in die Hand drückt.
"Nein, sie wählt den Freitod, weil sie in einer Welt, in der sie ihre Träume nicht verwirklichen kann, nicht mehr leben möchte", betont Jens Kalkhorst, der "Fräulein Julie" im Forum auf die Bühne bringt. Als "logischer" als die von Autor August Strindberg vorgesehene Variante empfindet er seine Schlussversion, die ein klares Zeichen setzt: "Der freiwillige Tod beweist Julies Mut."
Auch Kalkhorst will Mut zeigen und hat für das Taltontheater beherzt zur Textvorlage gegriffen, um aus dem tragischen Spiel um "Gesellschaftsdruck, verpasste Träume und falsche Hoffnungen" ein 100-minütiges Kammerwerk zu zimmern.
Mit Strindbergs meistgespieltem Drama erlebt Kalkhorst heute eine ganz besondere Premiere. Der Wuppertaler, der sich selbst als "eigentlich unpolitischen Regisseur" definiert und die politische Botschaft eines Stücks hauptsächlich "als Folie sieht, auf der sich menschliche Dramen abspielen", erlaubt sich zum ersten Mal, am Ende "gegen den Autor zu inszenieren".
"Fräulein Julie" scheint dafür bestens geeignet zu sein. Die Adlige liebt einen Diener und bekommt es nicht nur mit der Eifersucht seiner Ex-Geliebten, sondern vor allem mit Standesgrenzen zu tun. Die ursprüngliche Problematik kann heute zwar nicht mehr so viel Tragik entfalten wie zur Gründerzeit. Die Zweiklassengesellschaft ist aber nach wie vor aktuell.
David Meister mimt den berechnenden Knecht, der neben Julies Reizen den sozialen Aufstieg im Blick hat. Angela del Vecchio verkörpert Julie, die an der Utopie scheitert, dass alle gleich sind - egal, ob Mann oder Frau, blaublütig oder nicht. Auch die Dritte im Bunde ist kein unbekanntes Theatergesicht: Sabine Happe stand früher mit der "neuen wuTh" im Scheinwerferlicht.
Neben den drei Darstellern spielt auch ein Instrument eine Rolle: Per Grammofon sorgt Kalkhorst für romantische Musik. "Alte Schellack-Schätze" sollen die Reise in die Vergangenheit klangvoll begleiten.