Taltontheater: Verliebt in eine Serienfigur
Das Stück „Herbstzeitlose“ hatte jetzt im Taltontheater Premiere.
Wuppertal. Die Welt von Griselda und Rosalia dreht sich um den Fernseher. Genauer gesagt, um den Seifenoper-Darsteller Mariano. Eine lebensgroße Puppe mit seinem Gesicht sitzt in der Hängematte, er blickt vom Plakat ins Wohnzimmer, ergänzt durch aufgeklebte Fotos der beiden Frauen.
In ihrem Stück „Herbstzeitlose“, das jetzt im Taltontheater Premiere hatte, nimmt die argentinische Autorin Diana Raznovic Serienkult und Massenphänomene aufs Korn. Theaterchef Jens Kalkhorst besetzt die beiden zusammen wohnenden Mauerblümchen mit Marlene Meissner und Sarah Kocherscheidt als junge Frauen. Sie giften sich an, streicheln sich zärtlich, gehen zum Wahrsager und reden mit Pflanzen. „Der kräftige Herr Farn möge uns einen Liebhaber bescheren“, bittet Griselda völlig ernst und verteilt großzügig Wasser über ihren Dschungel (Bühne: Rüdiger Tepel).
So richtig leben die beiden erst auf, wenn Mariano in Folge 649 der Soap als Automechaniker Marcello auftritt. Wunderbar sind diese Filmeinspielungen mit Maurice Kaeber als Macho, der im dreckigen Overall die hübsche Valérie anmacht.
Bewusst spielen Diana Raznovic und Jens Kalkhorst mit Klischees: Eine weiße Schleife ziert das Kleid von Valérie (Angela del Vecchio), die naiv den Mechaniker anstrahlt. Übertrieben lümmelt Kaeber am Auto und greift sich in die Weichteile. Bodenlos platt sind die Dialoge. Doch Griselda und Rosalia nehmen die Soap als Realität.
Als Marcello in Folge 650 bedroht wird, beschließen sie, den Darsteller zu seinem eigenen Schutz zu entführen. Mit vorgehaltener Waffe zwingen sie Mariano in ihr Wohnzimmer und überfallen ihn mit Zärtlichkeiten. Sehr schön zeigt Maurice Kaeber das Schwanken des Serienstars zwischen Entsetzen, Ekel und geschmeichelt sein. Doch Griselda und Rosalia lieben mehr die Figur als den Darsteller derselben.
Alleine die Filme lohnen den Besuch der „Herbstzeitlosen“.