Tanzpremiere im Elefantenhaus
Das Pina-Bausch-Ensemble wagt sich auf neues Terrain: 13 Tänzer treten an diesem Samstag im Zoo auf. Die WZ war bei einer Probe dabei.
Wuppertal. Tanzen macht hungrig. Selbst wenn man nur zusieht, schon von seiner Statur her nicht unbedingt mit filigranen Bewegungen in Verbindung gebracht wird und auch noch einen Rüssel vor sich trägt, der einer möglichen Tanzkarriere im Weg stehen dürfte. Mit anderen Worten: Die kleine Pina hat Hunger. Unbeirrt genießt die junge Elefantendame ihr Heu, während sich die Menschen vor ihr drehen und wenden, wie sie wollen.
Es ist kein Auftritt wie jeder andere: Das Tanztheater probt auf neuem Terrain — im Zoo. Dort spielt sich äußerst Ungewöhnliches ab: Julie Shanahan zeigt ganzen Körpereinsatz, nutzt das Elefantenhaus als Bühne und lässt sich mit breit geöffneten Armen und geschlossenen Augen in den Moment fallen — tief versunken im Hier und Jetzt.
Spätestens jetzt müssten die Elefanten eigentlich aus dem Staunen nicht mehr herauskommen: Wann trägt schon mal jemand ein schwarzes Abendkleid, wenn er die Dickhäuter im Zoo besucht? Wieso steht eigentlich ein Klavier mitten im Gehege? Und woher nimmt ein menschliches Wesen den Mut, das Wasserbecken der Herde einfach als Swimmingpool zu nutzen und dort mit Badehose — per Hechtsprung — abzutauchen?
Es ist so skurril wie faszinierend. Scheinwerfer leuchten den Raum aus, das Heulager wurde zur Garderobe umfunktioniert, und die Elefanten, die das ganze Spektakel hinter der Absperrung beobachten, sind im eigenen Revier plötzlich Zaungäste. Ob sie nun Statisten oder gar die heimlichen Hauptdarsteller sind, darf ab diesem Samstag jeder selbst entscheiden. Um 12 Uhr feiert das Pina-Bausch-Ensemble Premiere: „Underground I: Im Zoo“ heißt die neue Veranstaltungsreihe, die die Tänzer an ungewohnte Orte führt. Zum Auftakt wollen sie beweisen, dass filigrane Bewegungen und Dickhäuter durchaus zusammenpassen.
Robert Sturm, Festival-Leiter
Seit Montag bewegt sich das Ensemble zwischen Heu-Luft und Elefanten-Duft. Buchstäblich probeweise geht es voran. Schritt für Schritt seien die Tiere an die neue Situation gewöhnt worden, wie Ulli Stepan und Robert Sturm, die beiden Leiter der Jubiläumsspielzeit „Pina40“, erklären. Die Saison, in der das Tanztheater seinen 40. Geburtstag feiert, ist ohnehin eine ganz besondere — da passt ein exotischer Tanz-Ort wie das Elefantenhaus bestens ins Programm.
„Die Zusammenarbeit mit den Pflegern funktioniert wunderbar“, betont Sturm. „Sie sind ganz begeistert von dem Projekt und helfen, wo sie können.“
Bei der Probe am Donnerstagabend ist es deutlich zu spüren: Damit sich Mensch und Tier wohlfühlen, arbeiten alle Hand in Hand — für beide Seiten ist es ein Experiment. „Die Tiere können jederzeit ins Freie, falls es ihnen zu viel werden sollte“, stellt Stepan klar. „Der Durchgang ist offen.“ Doch die Elefanten bleiben. Sie sind neugierig. Vor allem die kleine Pina schaut aufmerksam zu. Sie hebt ein Vorderbein, als ob sie gleich mittanzen wolle, und streckt es durchs Gitter — offensichtlich ein freundlicher Gruß an die Tänzer.
Dabei können die Tiere auch anders. Sie „trompeten“, wenn die Bewegungen der Tänzer schneller werden. Und sie wackeln mit den Ohren, wenn Rainer Behr und Jorge Puerto mit langen Rohren lauthals auf die Wasseroberfläche schlagen. Was am Ende dabei herauskommt, ist ein offener Prozess. Stepan und Sturm sind selbst neugierig — und gespannt darauf, was die 13 Tänzer am Samstag präsentieren werden. „Sie sind mit großer Begeisterung dabei. Jeder bringt eigenen Ideen ein.“ Was wohl die Elefanten darüber denken?