Format Kammermusik unter Freunden
Vor 20 Jahren schuf Werner Dickel die Konzertreihe „Musik auf dem Cronenberg“. Nun zieht er sich aus der ersten Reihe zurück.
Mit 20 Jahren ist man erwachsen und feiert einen runden Geburtstag. Das gilt für Menschen wie für Konzertformate. 2019 ist „Musik auf dem Cronenberg“ dran, ihr Gründer Werner Dickel und seine Mitstreiterin und ehemalige Schülerin Barbara Buntrock haben einiges erlebt, einiges vor und sind vor allem den Cronenbergern dankbar, die sie als wunderbares Publikum schätzen, „obwohl ich ihnen doch einiges zugemutet habe“, schmunzelt Dickel.
Sie lieben die Kammermusik, weil sie den engen Kontakt mit dem Publikum erlaube, sagt die Bratschistin und Professorin an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf, und weil sie Kommunikation und Intimität bedeute, ergänzt der Bratschist und Professor an der Musikhochschule in Wuppertal. Der vielseitig musikalisch interessierte Querdenker mit klassischer Musikausbildung kam 1995 durch seinen Job nach Wuppertal, zog einen Schlussstrich unter 15 Jahre Leben aus dem Koffer, das er als Konzertmusiker führte. Weitere drei Jahre des Pendelns folgten, bis er das Gelpetal entdeckte und nach Cronenberg zog. Um auch musikalisch anzukommen und mit Freunden und Kollegen etwas aufzuziehen, wandte er sich an den Kantor der Emmauskirche, um dort im kammermusikalischen Rahmen Konzerte zu geben. „Das war im Mai 1999, ein paar Monate später hatten wir unser erstes Konzert mit an die 50 Besuchern, im November waren es schon 150“, erinnert sich Dickel. Aus den im ersten Jahr ein bis zwei Konzerten wurden schnell fünf bis sechs. Das Format wurde zum Selbstläufer.
Vielgestaltig waren die Konzerte, boten von Barock bis John Cages, von Jazz bis Vocal oder Mahler-Sinfonien im Kammermusik-Format alles, was Dickel gut erschien. Fanden mal in einer Kirche, mal in der Knipex-Kantine statt. Stets wurde kein Eintritt erhoben, die Kosten wurden niedrig gehalten. Die Künstler spielen für geringes Honorar aus Freundschaft, weil sie Neues ausprobieren wollen oder gerade in der Gegend sind und einen freien Termin haben. Ein Förderverein wurde gegründet, Sponsoren gewonnen. Dickel: „Es ging mir immer darum, im Ort mit und für die Leute etwas zu machen, dabei Freunde einzubringen. Und es ist eine Art Spielwiese für mich, schon eine sehr persönliche Geschichte.“
Das Format entwickelte
sich zum Selbstläufer
Barbara Buntrock lernte „Musik auf dem Cronenbeg“ als Studentin Dickels kennen, eigene Musikorganisationserfahrungen sammelte sie in Barmen, wo sie versuchte, ein Kammermusikfestival im Kulturzentrum Immanuelskirche zu etablieren. „Das klappte zwar nicht, aber es machte viel Spaß.“ Umso mehr schätzt sie Dickels Format, das mit weniger Aufwand, sehr aktiven 50 Vereinsmitgliedern, treuem Publikum und weit über den Stadtteil hinausreichender Strahlkraft „ein Traum“ sei. Als Buntrock vor dreieinhalb Jahren ihre Professur erhielt, holte Dickel sie in die künstlerische Leitung, „zur Inspiration und Mitarbeit“.
Sicher ist das Schubert-Oktett aus den ersten Jahren, die Arvid Engegard auf seiner norwegischen Volksgeige zauberte, in Erinnerung geblieben, aber hervorheben will Dickel eigentlich kein Konzert. „In den 20 Jahren gab es einfach viele schöne Sachen“, sagt er und redet lieber über das Jubiläumsjahr, für das Konzerte, das nächste am 12. April, und ein Festival geplant sind. Buntrock: „Dabei werden auch wir etwas mehr im Vordergrund stehen.“ Im Juni wird dann Mittsommer an drei Tagen im Vereinshaus des Pickvereins in Cronenberg gefeiert, weil Dickel dort vor vielen Jahren ein legendäres Tangoevent veranstaltete. Ein Tangoabend eröffnet auch das Festival, der Samstag erlebt ein buntes Programm, das von Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ bis zum Jazzevent reicht, und der Sonntagfrühschoppen wartet mit Pop und Liedermacherei auf.
Danach geht es natürlich weiter, allerdings zieht sich der 60-jährige Dickel aus der künstlerischen Leitung zurück, für „frischen Wind“ und Buntrocks Ideen. „Zuerst will ich aber das Format einfach am Leben erhalten und schauen, was gut ankommt“, sagt die 37-Jährige: „Das Publikum vertraut uns ja, weiß, dass unsere Konzerte immer ein tolles Niveau haben und es sich zu kommen lohnt.“ Auch für die Künstler, ergänzt Dickel, die die intime Atmosphäre schätzen. „Das macht Kammermusik aus“, strahlt Buntrock und macht den Cronenbergern noch ein Kompliment: „Es ist ein total nettes Publikum, das beeinflusst auch die Musiker auf der Bühne. Vielleicht ist die Akustik woanders besser, aber die Atmosphäre ist wichtiger.“