Wolfgang Schmidtke: Der Poet unter den Musikern
Komposition: Die Poesie von Else Lasker-Schüler „schreit danach, vertont zu werden“. Wolfgang Schmidtke hat genau das getan. Er nimmt mit der WDR Big Band Lyrik-Vertonungen auf.
Wuppertal. Was ihm Else Lasker-Schüler bedeutet? Da muss Wolfgang Schmidtke nicht lange überlegen. "Wenn ich ihre Gedichte lese, befinde ich mich in einem Zwitterzustand. Da gibt es immer wieder Gefühle und Bilder, die Innerstes spiegeln und verträumt sind - und im nächsten Moment von der Außenwelt durchbrochen werden und ins Schmerzhafte umschlagen."
Bleibt ein klares Fazit: "Ihre Poesie schreit danach, vertont zu werden." Schmidtke hat den Schrei gehört und antwortet, wie es sich für einen Komponisten gehört: mit Musik. Über 60 Jahre nach dem Tod der jüdischen Dichterin hat der Komponist 14 ihrer Gedichte vertont, darunter "Die Liebe", "An mein Kind", und "nervus erotis".
Eineinhalb Jahre lang hat der gefragte Saxophonist daran gefeilt - um das Ergebnis (natürlich) nicht mit irgendeiner Kapelle, sondern mit der WDR Bigband zu präsentieren.
Der 50-Jährige arbeitet zum ersten Mal mit dem 17-köpfigen Ensemble - und ist restlos begeistert. "Die WDR Big Band ist zweifellos die beste im Land", betont Schmidtke. "Die Einspielung macht großen Spaß. Es geht nie um die Spieltechnik - die musikalisch-handwerkliche Qualität ist da. Es geht immer nur um Interpretation."
Richtig: "Elses blaues Klavier" erinnert aus gutem Grund an Lasker-Schülers letzten Gedichtband. "Mein blaues Klavier" ist 1943 in kleiner Auflage in Jerusalem erschienen. Die Zeit ist also reif für eine klangvolle Hommage. Und so setzt der bekennende Lokalpatriot der Elberfelderin ein musikalisches Denkmal - nicht zuletzt, "weil ich ein Gerne-Wuppertaler bin".
Als künstlerischer Leiter der Reihe "Nachtfoyer", dem Spät- programm der Wuppertaler Bühnen, weiß Schmidtke, dass es nie zu spät ist, um neue Trends zu setzen. Die Jazzszene tut genau dies, wie er freudig feststellt.
"Der normale amerikanische Jazzsong ist in bestem Sinne ein Schlager", sagt er. Zwar würden die Ansprüche an Text und Musik seit den 60ern größer. "Trotzdem gibt es ein unglaubliches Ungleichgewicht zwischen der musikalischen und der poetischen Qualität von Jazzsongs."
Schmidtke ist ein "Hans Dampf" in allen Gassen, die zu den besten Adressen der Wuppertaler Musikszene führen. Er ist Dozent der Musikhochschule, Vorsitzender der Peter Kowald Gesellschaft und künstlerischer Leiter des Festivals "Die 3. Art".
Vor allem aber ist er eines: ein Kenner der internationalen Jazzszene, der wohl wissend den Ton angibt. "Seit geraumer Zeit gibt es so etwas wie eine Emanzipation in der Jazzmusik", freut sich Schmidtke. "Die Texte müssen längst nicht mehr nur englische sein." Auf gut Deutsch gesagt: Poetischer Jazz à la Else Lasker-Schüler könnte der neueste Schrei werden.