80. Geburtstag Die Freiheit des Wortes
Wuppertal · Hajo Jahn, der Gründer der Else Lasker Schüler-Gesellschaft, wird 80 Jahre alt.
Auch heute noch sei er jeden Tag von 8 bis 17 Uhr im Büro an der Herzogstraße. Arbeite sicherlich 60 Stunden in der Woche im Dienste von Else Lasker-Schüler, erzählt Heiner Bontrup. Über Hajo Jahn. Der Autor und Dozent Bontrup ist mit dem Journalisten Jahn viele Jahre befreundet. Engagiert sich als sein Stellvertreter in der Gesellschaft, die dieser gründete. Weil er der großen Literatin und Tochter Elberfelds, seiner großen literarischen Liebe, in ihrer Heimatstadt endlich mehr Geltung verschaffen wollte. Ihr Name ist seither untrennbar mit dem seinen verbunden. Am 31. Mai 2021 wird Jahn 80 Jahre alt.
Wer Hajo Jahn verstehen und wissen will, warum er an die Bedeutung und die Kraft des Wortes glaubt, muss die Eckdaten seines Lebens kennen. 1941 wurde er in Berlin in den Krieg hineingeboren. Er erlebte Nazi-Diktatur, Zerstörung und Vertreibung, ab 1945 sowjetische Besatzung und ab 1946 SED-Herrschaft in der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik. 1953, nach dem gescheiterten DDR-Volksaufstand, floh er mit seiner Familie in den Westen. Kam nach Hamburg und von dort ins Ruhrgebiet. Er lernte von der Bundesrepublik zunächst Aufnahmelager kennen. Arbeitete im Bergbau. Über die Zeitschrift der Gewerkschaft kam er mit dem Journalismus in Berührung, wurde angefixt. Er absolvierte ein zweijähriges Volontariat bei der Westfälischen Rundschau. Wurde anschließend Redakteur, dann freiberuflicher Journalist für WDR und ARD.
1970 zog er nach Wuppertal, war hier bis 2000 WDR-Studioleiter von Radio Bergisch Land, Vorläufer der Lokalzeit Bergisch Land, die im April 1996 als erstes lokales Fenster des WDR auf Sendung ging. Gedreht wurde damals im gläsernen Studio in der Rathausgalerie in Elberfeld. Jahn baute den Regionalsender auf, prägte ihn mit seiner engen Verbundenheit mit dem Bergischen und viele bekannte WDR-Journalisten, von Horst Kläuser bis Jochen Rausch und Jörg Schönenborn. Johannes Rau, Nordrhein Westfalens Ministerpräsident (1978 bis 1998) und Wuppertaler, war regelmäßig Gast im Studio. Für seine Verdienste wurde Jahn 2003 das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2006 der Rheinlandtaler und 2010 der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen.
Engagement für
verbotene Autoren
Der gebürtige Berliner Jahn hat ein starkes Freiheitsstreben. Sowohl Nazi-Diktatur als auch DDR brachten ihm schmerzhaft bei, was es bedeutet, wenn der Geist unfrei ist. „In der Schulzeit lernte er verbotene Lektüre kennen, zum Beispiel Karl May“, erzählt Bontrup. In der Schulzeit begegnete er auch erstmals dem Gedicht „Weltende“ mit der Zeile „Es ist ein Weinen in der Welt“ von Else Lasker-Schüler, das ihn sehr berührte. Das Engagement für verbotene Autoren, für Humanität, die verletzt werde, wenn ein Veröffentlichkeitsverbot bestehe, wurde zum Lebensthema des politischen Menschen. Die Gründung der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft 1990, die sich 1997 im Dissens über die Rolle der DDR-Literatur spaltete, sichtbarster Ausdruck. Jahn ist in der nationalen und internationalen Schriftstellerszene zuhause. Sein zähes, jahrzehntelanges Ringen um das Zentrum für Verfolgte Künste, das 2015 mit dessen Gründung erfolgreich endete, ist ein weiterer Ausdruck seines Einsatzes für die Rehabilitierung verfolgter Autoren. Er habe gezielt Partner gesucht, nie aufgegeben und frustrationsresistent und mit langem Atem alle Widerstände überwunden, erzählt Bontrup. Dabei hatte und hat er stets die Jugend im Blick, die er mit konkreten Angeboten (Exilclubs, Foren) erreichen will.
Jahn sei ein kämpferischer Mensch, beschreibt ihn Bontrup. Ein Mensch, der nichts mit Mainstream anfangen könne, weshalb er sich auch mit der ELS-Gesellschaft vehement für die Umbenennung des Eduard von der Heydt-Kulturpreises in Else Laser-Schüler-Kulturpreis einsetzte.
Er verfüge über einen starken und klaren, inneren Kompass, der ihn leite, so Bontrup weiter. Dieser bedinge sich wechselseitig mit seiner Loyalität und Solidarität nach innen. Unter Tage habe er erfahren, dass man aufeinander Acht geben müsse.
Seinen Geburstag wird er wohl wieder im Büro verbringen, vermutet Bontrup, das er täglich mit dem E-Bike ansteuere. Dabei auf dem Rückweg die steile Hermann-Ehlers-Straße locker bezwinge. Weil er fit, unter anderem in einer Herzsportgruppe aktiv sei. Energie tanke er in Schweden, dem Land seiner ersten Frau, in dem heute eine seiner beiden Töchter lebt. Wo er in der weiten Landschaft angelt, meist allein, um Kraft für den Alltag zu schöpfen. Und für den Kampf um Menschlichkeit und Freiheit in der Welt.