Sponsoren für Hygieneschutzmaßnahmen gesucht Stell dir vor, die Pandemie bleibt
Wuppertaler Team um die Schauspielerin Philippine Pachl dreht Film in digitalisierter und näheloser Zeit.
Man stelle sich vor, die Pandemie würde bleiben, man stelle sich vor, zwischenmenschliche Nähe benötige die Erlaubnis der Bundesregierung - was wie Science-Fiction wirkt und in normalen Zeiten die Fantasie überfordert, vereinnahmt die Wirklichkeit derzeit täglich ein Stück mehr. Philippine Pachl, die bis 2019 dem Wuppertaler Schauspielensemble angehörte, hat sich des gar nicht so fernen Gedankenspiels angenommen und ein Drehbuch geschrieben, das nun verfilmt werden soll. Titel: „Zurück aus der Zukunft - oder was ist schon Nähe?“. Die Finanzierung steht, nur nicht für die durch die Pandemie erforderlichen Hygieneschutzmaßnahmen (siehe Kasten).
Man kann auf den Lockdown mit Stillstand oder mit erhöhter Aktivität reagieren. Bei der 36-jährigen Schauspielerin führte er zu einem „kreativen Überschuss“. Den sie in ihre „alte Leidenschaft“, den Film, steckte. Eine Geschichte niederschrieb, die sie nach einem knappen Monat dem Filmemacher Konstantin Koewius zu lesen gab. Gemeinsam feilten sie daran weiter.
Grundidee ist eine Dystopie in unbekannter Zukunft, in der durch die Digitalisierung Werte verschoben worden sind: Durch den Verzicht auf Nähe ist mehr Isolation entstanden, ist die Sehnsucht nach Nähe wiederum gewachsen, erzählt Pachl. Vor diesem Hintergrund werde eine Liebesgeschichte erzählt, so Koewius, also der Versuch zweier Menschen, Nähe herzustellen. Sicher spiele die Corona-Krise dabei eine Rolle, aber nicht das Virus selbst, sondern seine Folgen, die Angst vor Nähe und vor Keimen. Der Film kritisiere nicht die Corona-Maßnahmen der Politik, sondern beschäftige sich damit, was die Maßnahmen mit den Menschen machen: „Durch den Lockdown wurden wir inspiriert, darüber nachzudenken, was wäre, wenn dieser Normalität werden würde.“ Waren die Filmemacher im letzten Jahr noch ihrer Zeit voraus, holt die Realität sie Anfang 2021 langsam ein. Pachl: „Wir wollten uns nicht auf Corona beschränken, sondern dachten an verschiedene Viren und Krankheiten. Durch die Mutanten jetzt ist alles dichter und näher gerückt.“
Was die Coronamaßnahmen mit den Menschen machen
Im Zentrum der Geschichte stehen Conny und Marc, gespielt von Pachl und Ben Wichert, den sie wie alle anderen, durchweg professionellen Schauspieler kannte und selbst castete. Da ist die Videotante und Influencerin (Franziska Arndt), die Tischnachbarn (Suzanne Landsfried und Mathias Renneisen), der Türsteher (Daniel Breitfelder) sowie Opa Weiß (Bernhard Schütz). Letzterer wird aus Berlin zugeschaltet und eingespielt, was in diesem Fall die Vorzüge der Digitalisierung real nutzt. Die Produktion übernehmen die Wupperwerftstudios von Horst Wegener, Kameramann ist Oliver Freuwörth.
30 Minuten lang soll der Film werden, von Ende Februar bis 1. März in der ehemaligen Bandweberfabrik Kaiser & Dicke in Barmen gedreht werden, die die Renaissance AG zur Verfügung stellt. Was dem Film eine gewisse Surrealität verleihe und zu grotesken Momenten führe, so Koewius, weil auch Straßenszenen und Restaurantbesuch in den Hallen stattfinden. Der Film werde dramatisch und lustig, eine Dystopie mit Augenzwinkern und Happy End, so Koewius.
Ein Film, der immer wieder den Blick auf die eigene Realität lenkt und sich mit der Digitalisierung und ihrer Ambivalenz auseinandersetzt: Die Corona-Krise sei schon eine Challenge, da tue der Film gut, auf den man sich konzentrieren könne, sagt der 41-jährige Koewius, der als Asthmatiker besonders vorsichtig ist. Hinzu komme das ernüchternde Gefühl, dass sich die Pandemie, die im letzten Sommer noch rasch bezwingbar schien, festgesetzt hat, alles digital gemacht werde und ein Eventbesuch in weite Ferne gerückt sei.
Auch Pachl vermisst das Tanzen in der Mauke, Kino und Konzert. „Das zu spüren, die Emotion, die zwischen Körpern entsteht“, fehle schon sehr. Nähe sei einer ihrer größten Werte, ihr Herzblut, das jetzt verloren gehe. Pachl sorgt sich zugleich um ihren elfjährigen Sohn, der Asthma habe, um die Kinder und Jugendlichen generell, für die die Kontaktbeschränkungen besonders schlimm seien.
Die digitalen Fortschritte könnten hier sicher helfen, auch um sich selbst weiter zu entwickeln, erzählt Pachl und verweist auf die eigene absolvierte Fortbildung. Freilich dürfe sich der Mensch nicht vereinnahmen lassen, sonst führe das zu Isolation. Auch das Paar nutze sie auf verschiedene Weise. Trete mit ihrer Hilfe in Kontakt, der aber dann kein wirklicher sei. Koewius: „Wir wollen die Digitalisierung aber nicht verteufeln, eher das, was der Mensch daraus macht.“