WZ-Interview mit Generalmusikdirektor Kamioka: „Wir haben etwas aufgebaut“
Toshiyuki Kamioka bleibt Wuppertal auch nach 2009 erhalten. Der Generalmusikdirektor über sein Engagement in Saarbrücken und seine Liebe zu Wuppertal.
Herr Kamioka, hatten Sie schlaflose Nächte, bevor die Entscheidung fiel, als Generalmusikdirektor in der Spielzeit 2009/10 nach Saarbrücken zu wechseln?
Toshiyuki Kamioka: Die Entscheidung fiel mir sehr schwer, aber schlaflose Nächte hatte ich nicht. Das hängt mit meiner asiatischen Mentalität zusammen. Ich kann sehr gut abschalten.
Sie wirken stets ausgeglichen. Der Eindruck täuscht also nicht?
Kamioka: Ich bin in der Tat ein ruhiger, kein cholerischer Mensch.
Obwohl es bei Ihrem vollen Terminkalender sicherlich nicht immer einfach sein dürfte, "ruhig" zu bleiben . . .
Kamioka: Das stimmt. Mangelnde Zeit ist mein größtes Problem.
Und wie schaffen Sie es, trotzdem nicht in Hektik zu verfallen?
Kamioka: Indem ich mich auf eine Sache konzentriere. Erst wenn die aktuelle Arbeit beendet ist, ist der Kopf frei für das nächste Konzertprogramm.
Schlaflose Nächte dürften dafür einige ihrer vielen treuen Fans gehabt haben, als bekannt wurde, dass Sie nach Saarbrücken wechseln. Wie waren die Reaktionen?
Kamioka: Sehr gemischt. Ich habe Enttäuschung, aber auch Verständnis gespürt.
Ihr Vertrag als Generalmusikdirektor endet 2009. Als Chefdirigent bleiben Sie dem Publikum nun bis 2014 erhalten. Darf man das als klares Bekenntnis zu Wuppertal werten?
Kamioka: Unbedingt! Mir ist sehr wichtig, dass meine Entscheidung richtig gedeutet wird: Für mich bedeutet sie eine Verlängerung. Als ich 2004 hier angefangen habe, konnte ich ja nicht wissen, dass es einmal so kommen wird, dass ich aus Wuppertal gar nicht mehr weg möchte. Ich bin sehr glücklich, das kann ich ganz ehrlich sagen. Hier ist meine Mannschaft, und die Chemie stimmt. Das ist ein großes Glück.
Mit welchen Gefühlen gingen Sie dann in die Verhandlungen mit Saarbrücken?
Kamioka: Das war komisch. Während der Gespräche habe ich gemerkt, dass ich keine Distanz zu Wuppertal schaffen kann. Meine Mannschaft ist ein Teil von mir geworden. Und ich spüre, dass die Sympathie auf der anderen Seite genauso groß ist. Dafür bin ich sehr dankbar.
Es ist branchenüblich, dass Spitzenmusiker mehrere Chefpositionen haben. Was gab in Ihrem Fall den Ausschlag?
Kamioka: Der erste Gedanke war, dass ich eigentlich gerne etwas mehr Zeit für mich hätte - und für meine Mutter, die in Japan lebt. Ich kann meine Familie dort nur selten besuchen. In Saarbrücken hatte ich einen tollen Start. Dort Professor zu sein, bedeutet, flexibler arbeiten zu können. Außerdem kann ich über die Orchesterakademie vielen jungen Musikern helfen. Andererseits würde es mir sehr schwer fallen, mich von meiner Wuppertaler Mannschaft zu trennen.
War es auch eine Geldfrage?
Kamioka: Ganz bestimmt nicht! Wenn ich nur an die Karriere dächte, ginge ich nicht nach Saarbrücken. Das Orchester ist kleiner und kommt bisher noch nicht an die Qualität der Wuppertaler Sinfoniker heran. Aber ich habe die Hoffnung, dass ich die Leistungssteigerung unseres Sinfonieorchesters auch mit den Saarbrücker Musikern reichen kann.
Apropos Qualität: Sie sind ein großer Sympathieträger und werden bei jedem Konzert gefeiert.
Kamioka: Das freut mich und ist ein weiterer wichtiger Punkt. Ich habe den Eindruck, dass wir etwas aufgebaut haben - und noch aufbauen. Da will ich jetzt natürlich nicht gehen.
In Saarbrücken werden Sie Generalmusikdirektor, in Wuppertal leiten Sie weiterhin die Konzerte in der Stadthalle, die Programmentwicklung und die Proben. Nicht nur, weil Sie Autoliebhaber sind, werden Sie deshalb wohl viel Zeit auf der Autobahn verbringen.
Kamioka: Wie das mit der vielen Fahrerei wird, muss ich sehen. Schon jetzt kann ich aber sagen, dass mir die Stadt Wuppertal ans Herz gewachsen ist. Dazu gehört, dass ich es sehr bedauere, dass ich mein Wuppertaler Autokennzeichen verliere. Bedingt durch entsprechende Reglements habe ich in Saarbrücken Residenzpflicht, meine Wuppertaler Wohnung werde ich aber auf jeden Fall behalten.
Wuppertal muss sich einen neuen Operndirigenten suchen. Werden Sie ein gewichtiges Wörtchen mitreden?
Kamioka: Wir halten bereits Ausschau. Mit dem neuen Operndirigenten werde ich eng zusammenarbeiten. Es ist ja nicht so, dass ich kein Interesse hätte, auch nach 2009 die eine oder andere Oper selbst zu dirigieren. Es ist nur eine Zeitfrage. Eine konzertante Oper zum Beispiel kann ich mir sehr gut vorstellen.
Am 13. Juni dirigieren Sie die Otello-Premiere im Schauspielhaus. Freuen Sie sich schon auf die Wiedereröffnung der Oper in der Spielzeit 2008/09?
Kamioka: Ich bin gespannt, in der Oper habe ich ja noch nie dirigiert. Wir haben uns den vergrößerten Orchestergraben schwer erkämpft. Da möchte ich ihn natürlich mindestens einmal selbst erleben.
Vielen Dank für das Gespräch.