Kulturbrücke Engels bleibt in schwierigen Zeiten tragfähig
Eine Besuchergruppe aus der Stadt Engels an der Wolga hält sich zurzeit in Wuppertal auf. OB Andreas Mucke begrüßte die Gäste im Rathaus.
Wuppertal und die russische Stadt Engels an der Wolga trennt eine Fahrstrecke von rund 3150 Kilometern. Für eine Funkstille zwischen beiden Städten sorgte in den vergangenen beiden Jahren jedoch weniger die messbare Distanz, sondern die politische Großwetterlage in Europa in der Folge der Ukraine-Krise. Umso größer ist die Freude bei den Vorsitzenden des Vereins Kulturbrücke Wuppertal-Engels, Günter Lesch und Harald Nowoczin, dass sich zurzeit wieder eine offizielle Delegation aus Russland in Wuppertal aufhält. Gestern wurden die Besucher in Begleitung von Alexander Fedulov, Attaché des Generalkonsulats der Russischen Föderation, von Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) im Rathaus empfangen.
Wuppertal pflegt enge Kontakte zu acht Partnerstädten. Die Kulturbrücke Wuppertal-Engels hat zwar nicht den Status einer offiziellen Städtepartnerschaft, doch es werden seit 2009 vergleichbare Formen des Austausches und der Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Kultur und Bildung gepflegt. Besuche und Gegenbesuche finden in regelmäßigen Abständen statt.
Bei ihrem aktuellen Aufenthalt besuchen die Gäste zum Beispiel die Gesamtschule Langerfeld, die den Austausch mit dem Gymnasium Nummer 8 in Engels pflegt. Eine Fahrt mit der Schwebebahn inklusive einer Besichtigung der Schwebebahnwerkstatt in Vohwinkel steht in diesen Tagen ebenso auf dem Programm wie der Besuch der Junior Uni und des Museums für Frühindustrialisierung. Ein weiter Höhepunkt ist die Besichtigung der Stadthalle anlässlich einer Probe der Sinfoniker.
„Ich würde mir wünschen, dass sie 2020 wieder nach Wuppertal kommen, wenn der 200. Geburtstag von Friedrich Engels mit einer Reihe von Veranstaltungen in unserer Stadt gefeiert wird“, sagte Oberbürgermeister Mucke, der seinen Gästen als Präsent ein Modell der neuen Schwebebahn überreichte.
Mucke lobte die Initiative beider Seiten, Kontakte aufzubauen. Swetlana Prokofjova, Leiterin der russischen Delegation, verwies auf den großen Wert internationaler Beziehungen, die nicht von offizieller Seite gesteuert seien, sondern von der Bevölkerung getragen würden. „Es gibt Menschen auf beiden Seiten, die diese Brücke bauen und erhalten wollen“, sagte sie und lobte die Entwicklung Wuppertals. Vor einigen Jahren sei die Junior Uni noch eine Baustelle gewesen, nun sei sie in Betrieb. Die Delegationsleiterin übermittelte Grüße der Stadtspitze von Engels, einer Kommune mit rund 200 000 Einwohnern.
Bis 1932 hieß Engels, die Stadt am linken Ufer der Wolga, Pokrowsk. Bis 1942 war Engels die Hauptstadt der Wolgadeutschen, die heute nur noch eine verschwindend kleine Minderheit sind. „Engels ist aber eine Stadt mit einer großen deutschen Vergangenheit“, sagte Harald Nowoczin. Womit er weniger den berühmten Namensgeber mit Barmer Wurzeln meint, sondern vor allem bedeutende deutsche Künstler.
Friedrich Engels hat im modernen Russland bei weitem nicht den Stellenwert, den er als historische Figur in China genießt. Daher darf Wuppertal weder in naher noch in ferner Zukunft auf große Touristenströme aus Engels hoffen. Der Blick der Bewohner von Engels ist vielmehr in die Zukunft gerichtet. Und mit den Beziehungen nach Wuppertal wird die Hoffnung verbunden, dass die Kulturbücke irgendwann einmal auch den Weg zu wirtschaftlichen Beziehungen beider Städte erleichtern könnte. „Dieser Besuch aus Engels ist nach Jahren der totalen Funkstille ein Indiz für politisches Tauwetter“, ist Harald Nowoczin überzeugt.