Buchvorstellung Aus dem Knast in den Profifußball

Wuppertal/Fürth · In Wuppertal einst wegen Raubüberfällen verurteilt, beschreibt Daniel Keita-Ruel seinen Weg in die zweite Bundesliga in einem Buch.

Der jetzige CSC-Trainer Peter Radojewski gab Daniel Keita-Ruel 2015 bei Ratingen die „zweite Chance“ im Fußball.

Foto: Kurt Keil

Interviewwünsche lehnt Daniel Keita-Ruel derzeit ab. „Wir bitten um Verständnis, dass Daniel bei der Vielzahl der Anfragen nicht alle bedienen kann“, übermittelt der Pressesprecher seines Zweitliga-Klubs Greuther Fürth. Mit seinem Buch „Zweite Chance – Mein Weg aus dem Gefängnis in den Profifussball“ hat der Wuppertaler Keita-Ruel, der einst als eines der größten Fußballtalente der Stadt galt, bundesweit Interesse hervorgerufen. Sogar beim Talk von Bettina Böttinger im WDR war er angekündigt, kam aber dann doch nicht. Aus den Buchhandlungen in Wuppertal heißt es, „für ein Sportbuch wird es sehr gut verkauft“. In der Mayerschen Buchhandlung liegt es neben der Mario-Basler-Biographie „Eigentlich bin ich ein Supertyp“, auf dem Präsentiertisch.

Ist ja auch ein Superstoff. Ein „Fehlgeleiteter, der im Gefängnis zur Einsicht kommt und sich doch noch den schon als kleiner Junge im Fußballkäfig auf der Straße gehegten Traum vom Profifußball erfüllt hat – das beeindruckt. Inzwischen hat der bereits 30 Jahre alte Stürmer und Instinktfußballer in zwei Jahren für Greuther Fürth 16 Mal in der 2. Liga getroffen Und besonders für Wuppertaler, die ihn vielfach noch als Fußballer kennen, denen die Orte der Überfälle, an denen Keita-Ruel beteiligt war – die City-Arkaden, Postkioske, der Hornbach-Baumarkt – vertraut sind, ist das hochinteressant. Keita schildert sie minutiös. Die Gerichtsverhandlung nach seiner Festnahme hatte damals hohe Wellen geschlagen. Aus dem Fußballer wurde in den Medien „Big Boy“, wie der mutmaßliche Bandenführer ihn eigentlich nur einmal in einem Chat genannt habe, so Keita selbst.

„Einen verdammt schmalen Grat“, nennt Keita eingangs das Buch, in dem er sich einerseits reumütig gibt, auch an die Opfer denkt. Beispielsweise die Praktikantin der s.-Oliver-Filiale, der er in einem dunklen Gang der City-Arkaden die Geldtasche entrissen und vermutlich den „Schock ihres Lebens“ versetzt habe. Neben Einsicht spricht aber auch Trotz aus Keitas Ausführungen, es gegen alle Widerstände doch noch geschafft zu haben. „In den Beinen Weltklasse, im Kopf Kreisklasse“, hatte Max Eberl über den damals 18-Jährigen geurteilt, der nach zwei Jahren in der Jugend von Borussia Mönchengladbach keinen Anschlussvertrag erhielt und über den Bonner SC zum Wuppertaler SV zurückkehrte. Eberl, damals noch Chef der Jugendabteilung, heute Manager in Gladbach, kommt in dem Buch mit sehr persönlichen Einschätzungen über Keita ebenso zu Wort wie weitere Weggefährten. In Wuppertal bekannte Trainer wie Alfonso del Cueto oder Peter Radojewski beschreiben ebenso ihre Sicht auf Keita-Ruel wie seine Mutter.

Die filmreife Festnahme war für Keita-Ruel wie eine Erlösung

Die einstige Austauschstudentin aus Frankreich lernte in Wuppertal Daniels späteren Vater, einen Senegalesen, kennen, trennte sich aber wieder von ihm und zog Daniel und dessen Schwester allein groß. Der wollte immer nur Fußball spielen, war der Held auf dem Bolzplatz. „Er entglitt mir“, schreibt sie eindrucksvoll über die Zeit, als er ohne ihr Wissen auf die schiefe Bahn geriet. Er sei immer schon sehr stolz gewesen, habe versucht, sich nie etwas anmerken zu lassen, wenn es ihm nicht gut ging.

Und da ist dann auch der lebenslustige Daniel, der mit Profis Diskotheken und Klubs besuchte, auf seinen Style achtete und bei Gladbach dadurch offenbar nicht mehr so professionell auf den Fußball fokussiert war, wie es nötig gewesen wäre. Die Frage, warum er dann an die Bande geriet, bleibt trotz ausführlicher Schilderungen unbefriedigend beantwortet. „Geld sei es nicht gewesen“, schreibt er. Er habe sich damit überhaupt nicht wohl gefühlt, aber keinen Ausweg gefunden. Seine filmreife Festnahme sei dann auch so etwas wie eine Erlösung gewesen, versichert Keita-Ruel im Buch.

„Er ist ein unglaublich lieber, fürsorglicher Mensch, sehr einfühlsam. Diese Sache passte gar nicht zu ihm“, sagt Peter Radojewski, der einer der Ersten war, die ihn 2011 im Gefängnis besucht hatten. Damals Trainer der zweiten Mannschaft des WSV, in der Keita neben einigen Drittliga-Einsätzen häufiger gespielt hatte. Später gab er ihm bei Oberligist Ratingen wieder die Chance auf den Einstieg in den Fußball, als Keita-Ruel nach gut drei Jahren im Gefängnis in Wuppertal in die Justizvollzugsanstalt nach Ratingen verlegt wurde und dort die lang ersehnten Privilegien als Freigänger erhielt.

Ratingen, Wattenscheid, Fortuna Köln, Greuther Fürth – der Aufstieg des Wuppertalers im Fußball gelang dann schnell, die Kondition und Entschlossenheit hatte er sich im Gefängnis angeeignet, der Rest war schon immer da. Ob es für ihn, wie erhofft, noch eine Stufe höher geht? „Das wird sehr, sehr schwer. Da muss schon viel zusammenkommen“, urteilt Max Eberl. Dass er es in die 2. Liga geschafft habe, solle man aber nicht geringschätzen.

Ein rundum lesenswertes Buch, auch wenn manches unerklärlich bleibt.