Erhabener Moment in der Uni-Halle

So wie die Handballer des Bergischen HC ist selten ein Absteiger gefeiert worden. Rückenwind für die anvisierte Rückkehr in die erste Liga.

Foto: Andreas Fischer

In der Niederlage zeigt sich manchmal der wahre Sieger. Auf jeden Fall war das so am 10. Juni in der Wuppertaler Uni-Halle. Trotz eines klaren 32:24-Erfolgs über die Recken von Hannover-Burgdorf waren die Handballer des Bergischen HC soeben aus der ersten Bundesliga abgestiegen. Zeitgleich hatte nämlich der VfL Gummersbach in Lemgo nicht die erhoffte Schützenhilfe liefern können. Während die BHC-Spieler mit gesenkten Köpfen, versteinerten Mienen und teils tränengefüllten Augen auf dem Hallenboden standen, kauerten, saßen oder sogar lagen, tat sich drumherum bisher Einmaliges in der Wuppertaler Sportgeschichte und wohl auch darüber hinaus.

Foto: Andreas Fischer

Die rund 3000 Zuschauer hatten sich erhoben, klatschten und trommelten, als habe ihre Mannschaften soeben einen großen Sieg gelandet. Und die Ovationen wollten nicht aufhören. Volle 15 Minuten lang dauerte diese außergewöhnliche Geste. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte auch Ex-Handball-As Stefan Kretschmer, der die Live-Schaltung, in der Sport 1 über den Abstiegskrimi in Lemgo und Wuppertal berichtete, für die deutsche Fernseh-Öffentlichkeit kommentierte. Da gab es nachher deutlich mehr Bilder vom Verlierer aus Wuppertal als vom Sieger aus Lemgo.

Ein Augenzeuge nannte es den „Schulterschluss zwischen Mannschaft und Publikum“, BHC-Beirat Jörg Föste sprach von einem „erhabenen Moment“ und ergriff später das Mikrofon, um Danke zu sagen: „Das werden wir Euch nie vergessen.“

Ganz offenbar nicht vergessen hatte eben auch das Publikum jenen großen Kampf, den die Mannschaft geliefert hatte, nachdem im Winter mit nur fünf Pluspunkten der Abstieg fast unabwendbar schien. Erst recht, als gleich danach das erste „Abstiegsendspiel“ gegen Mitkonkurrent Stuttgart verloren ging und Viktor Szilágyi, der für den Kampf um den Klassenerhalt reaktiviert worden war, sich im zweiten Spiel in Berlin das Kreuzband riss.

Doch gerade diese Partie bei den Füchsen, die der BHC am Ende noch sensationell mit 30:29 gewinnen konnte, bildete den Wendepunkt einer unglaublichen Saison, in der sich zum Ende hin alles noch zum Guten zu wenden schien. 17:13-Punkte holte die Mannschaft anschließend und damit die noch im Winter für nötig erachteten acht Siege. Nach dem überwältigenden 26:21 in Gummersbach schien das Team fast gerettet, doch weil nun auch die anderen Teams aus dem Tabellenkeller punkteten, schien sich alles gegen den BHC verschworen zu haben. Unglücklicher ist wohl selten ein Verein aus der ersten Handball-Bundesliga abgestiegen. Als 16. punktgleich mit dem VfL Gummersbach war man nur zwei Pünktchen von Platz elf entfernt, was die beste Platzierung in der Klubgeschichte bedeutet hätte.

All das wollte das Publikum in der Uni-Halle in diesen Minuten wohl ausdrücken. „Im ersten Moment wollte man nur für sich sein und das verdauen“, erzählt BHC-Kapitän Kristian Nippes, für den die letzten drei Minuten im Spiel gegen Hannover nur noch wie im Film abliefen, nachdem er am Blick von Viktor Szilágyi auf der Bank gesehen hatte, dass es nicht reichen würde. Die Erinnerung an diesen 10. Juni werde für ihn auch negativ behaftet bleiben. Und doch sagt er: „Am Ende ist man auch gern auf dem Feld geblieben und hat die große Geste des Publikums angenommen.“ Teamkollege Arnor Gunnarsson meinte: „Allein dafür müssen wir uns zerreißen, um gleich wieder aufzusteigen.“

Ein Vorhaben, das zu gelingen scheint, zu dem aber auch die Neuen, wie die schwedischen Nationalspieler Max Darj und Linus Arnesson, Torwart Bastian Rutschmann, die Tschechen Milan Kotrc und Leo Petrovsky oder der bundesligaerfahrene Csaba Szücs ihren Teil betragen. Mit 38:2 Punkten ist der BHC bisher scheinbar durch die zweite Liga marschiert. Scheinbar deshalb, weil viele Siege hart erkämpft waren. Die Rückkehr ins Handball-Oberhaus ist vorgezeichnet — und da erinnert man sich bestens an den BHC — auch aufgrund des 10. Junis.