Radsport: Betrogen von den Profis

In den Radsportvereinen brodelt es nach den Dopinggeständnissen. Die Amateure fürchten um die Zukunft ihrer Sportart.

<strong>Wuppertal. Immer mehr Dopingfälle im deutschen und internationalen Profiradsport werden bekannt. Und nicht zuletzt das Geständnis von Erik Zabel, der als Rennfahrer für viele Nachwuchssportler ein Vorbild gewesen ist, hat die Radsportwelt auch in Wuppertal erschüttert. Die Vorsitzenden der drei größten Wuppertaler Radsportvereine sind geschockt. Alberto Pacheco Calderón (RC Musketier), hofft, dass die lokalen Sponsoren - auch im Hinblick auf das Uni-Radrennen am 28. Juli - den sauberen Amateurradsport weiter unterstützen. Die Leistungen der internationalen Spitzenfahrer betrachtet der Vater von Daniel Pacheco (ehemaliger deutscher Jugendmeister) nach jahrelanger Bewunderung nun mit großer Skepsis.

In die gleiche Kerbe schlägt Wolfgang Koch (Endspurt 08). Er regt sich darüber auf, dass der Radsport in seiner Gesamtheit in Verruf kommt, obwohl die bekannt gewordenen Dopingfälle nur die Spitze des Profitums betreffen. Und zu einem möglichen Radsport-Boykott der Fernsehsender sagt Koch: "Bei Bestechungsfällen in anderen Sportarten, wie zuletzt beim Fußball, kommen solche Ideen gar nicht auf. Warum beim Radsport?" Der Renntag des RV Endspurt am 9. Juni in Langerfeld sei gesichert.

Koch hatte als Jungamateur in den 50er Jahren ein prägendes Erlebnis im Zusammenhang mit Aufputschmitteln. Als Teilnehmer einer internationalen Mehretappenfahrt wurden ihm von einem westdeutschen Betreuer Pillen gereicht. Koch verzichtete auf die Einnahme und wurde - es gab keine offizielle Begründung - nie wieder in den Kader berufen. Trotzdem kann er auf eine erfolgreiche Rennfahrerkarriere zurückblicken.

Das Thema Doping beschäftigt Arno Theunissen, Vorsitzender des RC Gut Freund, nur am Rande. In seinem Verein wird neben dem gemütlichen Wanderfahren der Hallenkunstradsport betrieben, wo es auf Geschicklichkeit und Trainingsfleiß ankommt.

Training ist das Stichwort für Thomas Werner, Jugendwart von Endspurt 08. "Unser Verein vermittelt den Nachwuchsfahrern bei den täglichen Ausfahrten, dass unsportliches Verhalten nicht der richtige Weg sein kann." Thomas Werner empfindet das Verhalten der Berufsrennfahrer als Dolchstoß für alle ehrlichen Sportler im Amateurbereich.

Die Aktiven selbst nehmen die Nachrichten über die Dopingvergehen mit Bedauern und Kopfschütteln angesichts der gesundheitlichen Gefahren zur Kenntnis. Dass sich jugendliche Fahrer öffentlich zu dem brisanten Thema äußern, wird von den Vereinen abgelehnt. Man wolle die Kinder schützen, heißt es.

Doch die Proteste gegen die Praktiken der Profiteams werden immer lauter. Der Wuppertaler Jürgen Sopp, seit vielen Jahren bei internationalen Veranstaltungen am Start, bemängelt die geringe Zahl der Kontrollen in Deutschland im Vergleich zum Ausland. Ihm war schon in den 90er Jahren im direkten Vergleich mit Aldag, Zabel & Co. deren Leistungsexplosion aufgefallen.

Die Proteste aus dem Lager der Rad-Amateure sind berechtigt. Und die Heftigkeit der Reaktionen zeigt, dass die lange praktizierte Solidarität mit den einst gefeierten Spitzenfahrern nun ein Ende hat. Die Denkmäler sind gestürzt. An der Basis, wie zum Beispiel in den familiär geführten Wuppertaler Vereinen, sollte man nicht vergessen, dass es auch im Amateurlager Grauzonen gibt. Im Verein müssen junge Menschen in ihrem Charakter so geformt werden, dass sie im entscheidenden Moment ihrer Laufbahn "nein" sagen, wenn ihnen angeboten wird, Erfolge mit Doping zu erkaufen. Das gilt allerdings für fast alle Sportarten. (Andreas Boller)