Olympia „Rio hat mich noch einmal gereizt“

Als Physiotherapeut der erfolgsverwöhnten deutschen Kanuten nimmt Michael Faulstich an seinen vierten Olympischen Spielen teil.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Über dem Empfang der Praxis von Michael Faulstich an der Karlstraße baumelt eine illustre Sammlung an Akkreditierungen, die den Chef als Sportfachmann ausweisen. Bei Welt- und Europameisterschaften und drei Olympischen Spielen (2000, 2004, 2008) hat der Wuppertaler die deutschen Kanuten schon durchgeknetet und unter anderem bei neun Olympiasiegen seinen Teil zum Erfolg der Sportler beigetragen, die regelmäßig zu den großen Medaillenhoffnungen im deutschen Team gehören. Das wird nun auch in zwei Wochen in Brasilien der Fall sein.

Foto: Andreas Fischer

2008 nach der Geburt seines Sohnes Emil hatte Faulstich in puncto Nationalmannschaft kürzer getreten, war deshalb 2012 auch nicht mit in London. Doch sein damaliger Kollege ist jetzt in „Babypause“. „Und Rio hat mich noch einmal gereizt“, erklärt der Wuppertaler, warum er das eben auch zeitraubende Unternehmen Olympia erneut angeht. Nach Rio soll dann vorerst Schluss sein. „Das wäre ein toller Abschluss nach 20 Jahren“, sagt Faulstich, der seit 1997 Physiotherapeut des Deutschen Kanuverbandes ist. Nur die Liebe zum Kanusport hat ihn überhaupt so lange bei der Stange gehalten.

„Wenn man das selbst mal gemacht hat, ist es natürlich viel interessanter“, sagt der 48-Jährige, der mit elf Jahren mit dem Kanurennsport begonnen hatte, mit Zwillingsbruder Thomas im Zweiercanadier und im Achter mehrere Deutsche Altersklassentitel gewonnen hat und 1985 mit Platz acht bei der Junioren-WM in Italien seinen größten Erfolg feierte. In der KSG Wuppertal ist er inzwischen wieder als Sportwart engagiert, zumal Sohn Emil auch bereits Spaß am Canadier-Fahren gefunden hat.

Ab Montag muss es in der Praxis und im Verein aber vier Wochen lang ohne Michael Faulstich gehen. Zunächst geht es für ihn nach Duisburg zum Nationalmannschaftslehrgang für das gesamte Kanu-Team. Erst für den 10. August ist dann der Abflug nach Rio vorgesehen, wo die Kanuten vom 15. bis 21. August sozusagen zum Abschluss der Spiele ihre Wettkämpfe austragen. „Pro Stunde Zeitverschiebung ein Tag zur Akklimatisierung, das sollte reichen“, sagt Faulstich.

13 Sportler sind nominiert. Für Faulstich, der neben einem Arzt, sechs Trainern und einem Bootsbauer zum Stab gehört, zwar viel Arbeit, aber im Vergleich zur WM im vergangenen Jahr, als er 26 Athleten zu betreuen hatte, doch wohl entspannter.

Die Tasche ist schon halb gepackt, die offizielle Olympiaausstattung von Schuhen über Taschen bis zu Trainingsanzügen hat er sich in Hannover — auf dem Weg zum jüngsten Lehrgang im Bundesleistungszentrum Kienbaum — abgeholt. Auf dem Parkplatz dort gab es eben noch eine Grippeschutzimpfung für die Südhalbkugel. Auch gegen Cholera und Hepatitis hat er sich impfen lassen, vor dem Zika-Virus, den Mücken übertragen sollen, allerdings keine Angst. Dafür wurde Anti-Brumm verteilt. „Außerdem ist in Brasilien jetzt Winter. Da gibt es wahrscheinlich weniger Mücken als hier.“

Dafür ist der Starfaktor im Olympischen Dorf groß. Überhaupt ist das Zusammenkommen der großen Sportfamilie auch für ihn ein großer Anreiz. „Selbst große Stars werden im olympischen Dorf zu kleinen Kindern“, berichtet Faulstich aus Erfahrung. Brasiliens Fußball-Millionär Ronaldinho etwa habe sich 2008 in Peking gerne mit allen fotografieren lassen.

Das Stichwort Partymodus könne allerdings auch zum Problem werden, wenn Athleten ihre Wettkämpfe schon abgeschlossen hätten, andere in der Vorbereitung aber noch Ruhe brauchten, die im Dorf dann schwer zu bekommen sei. „Ich bin mal morgens um 6.30 Uhr raus vor die Tür, weil sich zwei laut unterhalten haben.“ „Hört mal zu, ihr Pfeifen, andere haben noch Wettkampf“, habe er sie salopp angesprochen und wurde erst da gewahr, dass er vor zwei Zwei-Meter-Hünen stand. „Die sind aber ganz schuldbewusst in den Aufzug gestiegen.“

Namen nennt Faulstich nicht. „Ich werde auch kein Buch über meine Erlebnisse im Olympischen Dorf schreiben, auch wenn es da sicher wieder viel zu erzählen gäbe.“ Genießen und schweigen lautet sein Motto, schließlich weiß er, wie wichtig Vertrauen für die Athleten ist. Als Physiotherapeut ist Faulstich für seine Athleten nicht selten auch Kummerkasten.

Eine Massagebank wird Faulstich diesmal im Olympischen Dorf haben, eine an der Rennstrecke. Vor allem abends nach Training oder Wettkampf werden seine Dienste in Anspruch genommen. „Das geht teilweise sicher wieder bis 21, 22 Uhr.“ Doch Faulstich freut sich schon drauf: „Es ist eben Rio. “