Wuppertaler geben in Berlin den Takt an
Leichtathletik-EM: Reinhard Drees und sein Sohn Sebastian sind im Stadion für die Starts bei den Laufwettbewerben und die Einspieler auf den Videowänden verantwortlich.
Wenn Millionen Zuschauer am TV und zehntausende Leichtathletikfans in diesen Tagen im Olympiastadion die EM verfolgen, sind zwei Kampfrichter des LAZ Wuppertal mittendrin: Reinhard Drees und sein Sohn Sebastian gehören zum rund 300-köpfigen Kampfrichterteam der wohl größten EM aller Zeiten in dieser Sportart. Und beide bekleiden darin hervorgehobene Stellungen. Sebastian (28) ist als Infield Board Direktor dafür zuständig, dass die Zuschauer im Stadion über die vier großen Videowände und die Anzeigen neben den Wettkampfstätten aktuelle Bilder, Ergebnisse und Informationen sehen. Reinhard Drees (63) ist einer von sechs Startern, die für die Laufwettbewerbe den Startschuss geben, darauf achten, dass keine Fehlstarts passieren.
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Beim Silberlauf von Deutschlands Sprinterin Gina Lückenkämper am Dienstag fungierte Reinhard Drees als Rückstarter 2, musste das Feld zum Glück nicht wegen eines Fehlstarts zurückpfeifen. Starter beim Hauptevent 100 Meter ist ein Spanier, der einzige Nichtdeutsche im Starter-Team, das sich bei den Aufgaben abwechselt. Reinhard Drees steht häufiger auf dem Starterpodest und schießt die Pistole ab. Etwa am Mittwoch bei den 400 Meter Hürden-Halbfinals der Damen. Auch den Siebenkampf der Damen wird er in allen Laufdisziplinen als Starter begleiten. „Es ist wichtig, dass sich die Athleten an deine Stimme gewöhnen, dass sie dir vertrauen und du Ruhe auf sie ausstrahlst. Dann können sie auch gute Leistungen bringen.“ Er hat gelernt, sich dabei genau wie die Athleten aufs Wesentliche zu konzentrieren. Zuckt noch jemand im Startblock nach dem „Auf-die-Plätze“-Kommando, das in Englisch gegeben wird: „on your marks“? Kommt der Schuss eine Sekunde nach dem „Fertig“-Kommando („set“)? „Die Athleten müssen dir vertrauen und dich als Autorität anerkennen.“ So wie einst Usain Bolt, den er 2009 bei der WM ebenfalls in Berlin bei seinem bis heute bestehenden 200-Meter-Weltrekord „abgefeuert“ hatte. Seitdem ist Drees fest im deutschen Starterteam, ist fast bei jeder Deutschen Meisterschaft dabei, zum Teil auch bei internationalen Wettkämpfen.
Zur Kampfrichterei kam Reinhard Drees vor mehr als 25 Jahren. Damals begleitete er seine drei Söhne Jan, Alexander und später auch Sebastian — alle gute Mittelstreckler — zu Wettkämpfen mit dem Barmer TV und ließ sich in die Organisation einbinden. Weil er das so gut machte und bereit war, weiterführende Lehrgänge zu absolvieren und Verantwortung zu übernehmen, kletterte er in der Hierarchie innerhalb des Landesverbands und des DLV immer weiter.
Sebastian, immerhin mal Teilnehmer an einer Jugend-DM, hat sich nach seiner sportlichen Laufbahn ebenfalls dem Kampfrichterjob gewidmet und in der Regie seine Profession gefunden. „Ich kann den Athleten von hier oben mehr helfen“, sagt er mit Blick auf seine Regiekanzel unter dem Dach des Olympiastadions. 40 Kameras an allen Ecken der Arena koordiniert er mit seinem Event Resolution Team von hier aus, entscheidet, welche Einstellung auf die Videowände geschaltet wird, wann es Liveinterviews gibt, wann die Athleten ins Stadion einlaufen dürfen, wie die Wettkämpfe — laut Veranstaltungsplan laufen bis zu vier gleichzeitig — im Ablauf koordiniert werden. Ein großer Spaß ist die „Kiss-Cam“, die zur Belustigung der Zuschauer zwischen den Wettkämpfen immer mal auf Paare im Publikum gerichtet wird, die sich fast auch immer zum Kuss animieren lassen. Am Donnerstag entdeckte Drees zufällig BTV-Trainer Hans-Werner Jahn im Publikum und ließ ihn von seinen Kameraleuten einfangen.
Bei allem Stress sind Vater und Sohn Drees von den Titelkämpfen begeistert, stets getrieben von der Motivation, die Athleten gut aussehen zu lassen und fair zu behandeln. Die Leichtathletik als tolle Sportart habe das verdient und sie lebe natürlich von Typen wie Usain Bolt. Es gebe zwar immer weniger davon, aber einige seien dann doch hier. Sebastian Drees nennt Zehnkämpfer Artur Abele als seinen Favoriten und Reinhard Drees Diskuswerfer Robert Harting.