Pläne für pure Fußballarena Olympiastadion ohne Leichtathletik? - Historischer Ort
Berlin (dpa) - Das Berliner Olympiastadion ohne blaue Bahn? Ohne das weltberühmte ISTAF? Und künftig sogar ganz ohne Leichtathletik? Für die Protagonisten und Fans der antiken olympischen Sportart hängt dieses Szenario wie ein Damoklesschwert am Himmel über Berlin.
„Ich finde das schlimm. Das Olympiastadion ist eins der schönsten Stadien auf der Welt. Es ist eins mit Geschichte, da gehört so viel dazu, das ganze Drumherum“, sagte die neue Speerwurf-Europameisterin Christin Hussong der Deutschen Presse-Agentur. „Ich finde: Da gehört einfach die Leichtathletik rein! Auch für große Meisterschaften.“
Das sieht auch Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause so, die das sechste Gold für die EM-Gastgeber erobert hatte. „Ich hoffe, dass kein Fußballstadion draus gebaut wird. Mein Vater war selbst immer so ein Verfechter, dass man zu weit weg ist, wenn da noch eine Bahn ist. Das ist richtig“, meinte die 26-Jährige. „Aber ich glaube, im Fußball steckt sehr, sehr viel Geld und da kann man noch ein Stadion irgendwo anders hinbauen. Es ist ein historisches Bauwerk, es steckt viel Geschichte in dem Stadion. Ich fände es schade, wenn die genommen wird.“
In Berlin gibt es Überlegungen, aus der Arena ein reines Fußballstadion zu machen. Das Olympiastadion wird vom Bundesligisten Hertha BSC genutzt; der Mietvertrag läuft 2025 aus. Hertha setzt auf einen Neubau, der Berliner Senat favorisiert dagegen einen Verbleib des Vereins in dessen alter Arena.
Einen interessanten Ansatz hat wie so oft Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting. „Ich finde, eine Vernichtung der Bahn ist keine Lösung. Wir sind ein Land der Ingenieure. Warum kriegt man hier keine Multifunktionsarena hin, wo eben alles Platz hat?“, fragte der Berliner, der seit Jahren auch eine emotionale Bindung zu der historischen Arena hat: Hier - in seinem „Wohnzimmer“ - holte Harting vor neun Jahren den ersten seiner drei Weltmeistertitel.
Sprintstar Gina Lückenkemper echauffierte sich so richtig. „Das darf nicht sein! Die Kernsportart der Olympischen Spiele aus dem Olympiastadion zu verbannen, ist das Dümmste, was man machen kann“, sagte die 21-Jährige von Bayer Leverkusen, die nach Silber über 100 Meter am Sonntag auch noch Bronze mit der Sprintstaffel feiern konnte. „Was ist das für ein Zeichen nicht nur an den deutschen Sport, sondern an den Sport weltweit? So eine Aktion zu fahren - das ist für mich einfach ein Ding der Unmöglichkeit!“
Etwas diplomatischer drückte sich Sebastian Coe aus, Doppel- Olympiasieger und seit 2015 Chef des Weltverbandes IAAF. „Dieses Stadion ist ikonisch, es ist ein historischer Ort. Natürlich ist manches hier etwas unkomfortabel. Aber als studierter Historiker sage ich Ihnen eines: Man baut seine Geschichte nicht um“, betonte der smarte Brite im Berliner „Tagesspiegel“.
„Ich hoffe, dass wir mit diesem Leistungsfestival hier gezeigt haben, wie wichtig so ein Stadion ist, wie wichtig die Bahn ist und was Leichtathletik bedeuten kann“, argumentierte Idriss Gonschinska, Sportchef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. „Da müssen schon ein paar Gegner kommen, damit das Olympiastadion eine ähnliche Stimmung hat, wenn hier Bundesliga-Fußball ist.“