Offen gesagt Lustlos und läppisch
Nun kommt es, wie es kommen musste. Die neu entflammte Diskussion darüber, wo in Wuppertal das Land seine forensische Klinik für psychisch kranke Straftäter bauen darf, spaltet die Stadt. Bürger in Ronsdorf und am Katernberg sind sich nicht grün.
Die einen wollen nicht, dass die Forensik an der Parkstraße entsteht, wo dem Land ein geeignetes Grundstück gehört. Die anderen kämpfen um die Kleine Höhe, die heute noch weitgehend unberührte Natur ist. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Es ist im Gegenteil ein gutes Zeichen für eine Stadtgesellschaft, dass Bürgerinnen und Bürger sich für etwas innerhalb dieser Stadt einsetzen. Sei es, dass sie eine Entwicklung wollen, wie etwa bessere Straßen oder mehr Fahrradwege, oder dass sie eine aus ihrer Sicht schädliche Entwicklung zu verhindern versuchen.
Im Falle Wuppertal ist es leider so, dass eine engagierte Bürgerschaft auf eine ziemlich träge, desinteressiert wirkende oder sehr leicht durchschaubare Gruppe von Stadtverwaltern und Politikern trifft. Und an deren Spitze steht ein Oberbürgermeister, der im bald beginnenden vierten Jahr seiner Amtszeit immer noch nicht das Gefühl dafür entwickelt hat, wann es Zeit ist, sich als sozusagen oberster Wuppertaler eindeutig und unmissverständlich zu äußern.
Die Forensik ist ein mittlerweile ziemlich alter Zankapfel zwischen Stadt und Land. Es hatte allerdings schon den Anschein, dass der Streit beigelegt sei, nachdem die Stadt dem Land die Kleine Höhe als Forensik-Standort anbot und dafür ein Gelände an der Müngstener Straße für Wohnungsbau erhalten sollte. Dort ist heute die Bereitschaftspolizei untergebracht, die Fläche gehört dem Land. Wie üblich in Wuppertal, werden solche Geschäfte vom Rathaus auf Treu und Glauben abgeschlossen. So ist die Bahn AG am Döppersberg auch zu einer neuen Fassade ihres wunderschönen Gebäudes gekommen. Nur an die Gegenleistung dafür muss sie nun mühselig erinnert werden - Ausgang offen.
Auch mit dem Land ist seinerzeit nichts schriftlich festgelegt worden. Deshalb fiel es dem neuen Polizeipräsidenten auch leicht zu entscheiden, dass die Polizei an der Müngstener Straße bleibt. Das war es dann mit der Stadtentwicklung auf Lichtscheid. Logischerweise hätte dann das Thema Forensik auf der Kleinen Höhe damit aber auch erledigt sein und alles neu verhandelt werden müssen.
Aber diese vielleicht lohnende Mühe machen sich Politiker und Stadtverwalter nicht. Statt dessen lädt jeder St. Florian ein, der auch nur ansatzweise mit dem Thema zu tun haben könnte. St. Florian, sei ein guter Mann, beschütz’ mein Haus, zünd’ andere an - scheint demnach das Motto der FDP zu sein. Sie will Ronsdorf vor der Forensik bewahren und propagiert ein Gewerbegebiet an der dortigen Parkstraße, wo das Land ebenfalls Flächen besitzt. Dass die Spitzenleute der Partei gleichzeitig auch noch in Ronsdorf wohnen, macht die Lautstärke ihrer Forderung allerdings ein bisschen verdächtig.
CDU und SPD in Ronsdorf geben stadtweite Verantwortung gleich ganz auf und fordern unverhohlen, dass nun auf der Kleinen Höhe Baurecht geschaffen werden soll. Dass der Fraktionschef der SPD im Stadtrat, Klaus-Jürgen Reese, sie mit dem Hinweis unterstützt, dass der Rat längst so entschieden habe, könnte den Eindruck entstehen lassen, dass der alte Haudegen der Sozialdemokraten keine Lust mehr hat, zu neuen Hieben auszuholen. Das wäre bedauerlich.
Denn es gibt überhaupt keinen Grund, dem Land auch nur einen Grünstreifen irgendwo in Wuppertal zu überlassen. Statt dessen wäre angezeigt, Düsseldorf die Stirn zu bieten. Wenn nach Senioren- und Jugendknast unbedingt nun auch noch eine Forensik nach Wuppertal soll, dann nur mit einer spürbaren Gegenleistung. Es mag richtig sein, dass es im Landgerichtsbezirk eine solche Einrichtung geben muss, aber der Bezirk besteht nicht nur aus Wuppertal.
In so einer Situation ist die Stimme des Oberbürgermeisters von entscheidender Bedeutung. In Ronsdorf und um die Kleine Höhe leben Bürger dieser Stadt seit Jahren in Sorge und Unruhe. Sie fürchten um Natur und Sicherheit. Deshalb haben sie längst ein Anrecht darauf, dass ihnen ihr Stadtoberhaupt Orientierung verschafft. Der Verweis auf den Polizeipräsidenten und dessen bemerkenswerten Alleingang in der Standortfrage ist ebenso läppisch wie das zuckersüße Lob für das Engagement der Stadtteilpolitiker in Ronsdorf. In der Forensik-Frage sind Haltung, Klarheit und Berechenbarkeit gefordert. Von all dem ist derzeit in Parteien, Rat und Verwaltung überhaupt nichts zu spüren.