Ehrenamt Mit neuem Vorstand stellt sich das Zentrum für gute Taten für die Zukunft auf – 1000 offene Stellen in Wuppertal
Wuppertal · „Das Ehrenamt wird in der Gesellschaft immer wichtiger“
Die Gesamtschule Else Lasker-Schüler hat einen eigenen Schulgarten und sucht Menschen, die Spaß am Gärtnern mit Kindern haben. Der Kneipp-Verein sucht einen neuen Trainer für die Wirbelsäulengymnastik. Das Stadtteilzentrum Heckinghausen möchte sein Team im Reparaturcafé erweitern. Das sind nur drei der aktuellen Angebote, für die die Freiwilligenagentur Wuppertal ehrenamtliche Mitarbeiter finden möchte.
Das Ehrenamt hat auch in der Wuppertaler Stadtgesellschaft eine immer stärkere Bedeutung. Dafür will sich der neue Vorstand einsetzen, den der Verein „Zentrum für gute Taten“ nun gewählt hat. „Insgesamt haben wir ungefähr 1000 offene Stellen“, sagt Stephan Heuschen, der neu zum Vorstand gehört. Die Agentur konzentriert das Angebot, das ihr zur Verfügung gestellt wird. „Der Bedarf ist riesig“, betont Heuschen. „Es gibt immer mehr Jobs, für die kein Geld mehr da ist, auf die Vereine aber angewiesen sind. Wenn wir als Beispiel die Tafel nehmen, dann sind dort oft Stellen im Büchermarkt, bei der Kindertafel oder für den Fahrdienst verfügbar, der Lebensmittel abholt, die die Tafel dann an Bedürftige weitergibt. Wenn man all diejenigen, die sich für die Tafel engagieren, bezahlen wollte, würde es diese Einrichtung nicht geben.“
Es gehe aber auch um die Betreuung von Flüchtlingen, Sportvereine, Hausaufgabenhilfen oder Stellen ergänzend zu Berufsschulen, erklärt Heuschen. „Dort kommt die individuelle Betreuung bei der Menge an Schülern oft zu kurz, sodass eine gezielte Förderung für einzelne Schüler durch Ehrenamtliche übernommen werden soll.“
Der überwiegende Anteil der ehrenamtlich Tätigen sei zwar über 60 Jahre alt. Doch der Anteil der Interessierten zwischen 20 und 29 Jahren sei im vergangenen Jahr von 20 auf 25 Prozent gestiegen. Dass sich besonders junge Menschen verstärkt im Ehrenamt einsetzen, „ist sicher neben der Corona-Pandemie, die ein Gefühl des Zusammenhalts gefördert hat, der Weltsituation geschuldet. Viele stellen fest, dass wir uns durch Krisen und Konflikte in grauen Zeiten befinden und etwas tun wollen, um diesen Krisen etwas entgegenzusetzen.“ Gerade junge Leute seien dabei solidarisch. „Aber es ist je nach Lebenssituation auch eine Form der Überbrückung möglich, etwa, wenn jemand gerade sein Abitur gemacht hat, sein Studium aber erst im Oktober beginnt und er sich zwischenzeitlich einer Aufgabe widmen möchte.“
450 Interessenten
engagieren sich ehrenamtlich
Dabei sei das Bewusstsein gestiegen, „wo unsere Gesellschaft Defizite zeigt“, stellt Heuschen fest. Im sozialen Bereich sei dies besonders spürbar. „Alte Menschen, die oft allein sind, brauchen mehr Zuwendung. Man kann mit ihnen einkaufen oder spazieren gehen.“ Auch Besuchsdienste im Altenheim gehören dazu.
Derzeit seien etwa 450 Interessenten, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, in der Datenbank der Agentur verzeichnet. „Man kann sich online oder persönlich registrieren. Dann sprechen wir auch darüber, welche Schwerpunkte die Interessenten haben, was sie beruflich gemacht haben und ob sie sich in bestimmten Stadtteilen engagieren wollen.“ Die Datenbank könne daraufhin Überstimmungen finden. „Das reicht vom Seniorencafé bis zur Lesepatenschaft.“ Der soziale Bereich sei besonders gefragt; „etwas heikel“ seien dabei allerdings Gebiete wie die Hospizbewegung, „die Überwindung kostet“, sowie die Telefonberatung, „für die eine Supervision nötig ist, um die Qualität sicherzustellen“.
Insgesamt verzeichnete die Ehrenamtsagentur im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand: Die Zahl der Einzelberatungen und Vermittlungsprozesse lag bei mehr als 400, im Jahr 2022 waren es noch 280 gewesen. In der Vermittlungsform nehme das digitale Angebot zu. Schon jetzt erfolge die Hälfte der Neuanmeldungen über die Website. „Das werden wir zum Herbst ausbauen“, kündigt Stephan Heuschen an. Die Freiwilligenagentur wurde dafür in das bundesweite Förderprogramm „100xDigital“ der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt aufgenommen. Hinzu komme dann die Möglichkeit, neben der persönlichen Beratung auch Videokontakte in Anspruch zu nehmen – „zum Beispiel für Berufstätige, die zu den Öffnungszeiten nicht die Möglichkeit haben, vorbeizukommen.“ Heuschen betont jedoch, dass es kein Ersatz, sondern eine Erweiterung des Angebots werden soll.
Bei der Altersstruktur sei bei den 30- bis 50-Jährigen ein Loch, „da gründen viele Menschen eine Familie oder stehen mitten im Beruf.“ Auffällig sei auch die Vielfalt. „Bei uns sind Menschen aus 22 Nationen registriert, darunter aus Japan, Ungarn, der Türkei, aber auch aus Syrien. Darunter sind Menschen, die sagen: Man hat mir geholfen, jetzt möchte ich anderen helfen.“
Auch die Freiwilligenagentur basiert fast ausschließlich auf der Arbeit von Ehrenamtlichen. Stephan Heuschen selbst ist seit einem Jahr dabei. Als er in den Ruhestand ging, kam alsbald das Gefühl in ihm auf, sich sinnstiftend einzubringen. „Ich wollte aber nicht 20 verschiedene Institutionen durchforsten, ob sie passende Angebote haben. Also habe ich nach einer Plattform gesucht und bin beim Zentrum für gute Taten fündig geworden. Jetzt kann ich Menschen beraten und – weil ich Journalist bin – gleichzeitig meiner Tätigkeit treu bleiben und Öffentlichkeitsarbeit machen.“