90 Jahre Wuppertal Mutige Worte vor 85 Jahren

In der Gemarker Kirche wurde 1934 die Barmer Theologische Erklärung verabschiedet.

Barmer Zeitung Sonderdruck Die Deutsche Bekenntnis-Synode Mai 1934 Barmer Theologische Erklärung Nachdruck der Originalausgabe anläßlich des 150jährigen Bestehens des Druck- und Verlagshauses Fr. Staats GmbH und zum 50. Jahrestag der Barmer Bekenntnissynode

Foto: ja/ekir.de

Mutige Worte waren es, die vor 85 Jahren am 31. Mai 1934 in der Gemarker Kirche in Barmen verabschiedet wurden - die Barmer Theologische Erklärung.

Drei Tage lang versammelten sich 139 Delegierte aus ganz Deutschland zur ersten Synode der Bekennenden Kirche in Barmen-Gemarke. Sie lehnten die Gleichschaltung der Deutschen Evangelischen Kirche mit der nationalsozialistischen Ideologie und die Eingliederung in deren Staatsapparat ab. In der Rückbesinnung auf das reformatorische Erbe fanden die Kirchenvertreter zu einem Bekenntnis, das über konfessionelle Grenzen hinweg dem Machtanspruch der Nationalsozialisten und der Glaubensbewegung Deutsche Christen die Stirn bot. Die evangelische Kirche durfte um keinen Preis zum Instrument politischer Machthaber werden. Die Teilnehmer bekannten sich einstimmig zu den unverrückbaren Grundwahrheiten des evangelischen Glaubens mit Worten aus der Reformationszeit: „Verbum Dei manet in aeternum“ - „Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit.“

Die sechs Thesen führen dazu näher aus: Das biblische Zeugnis von Jesus Christus ist die einzig legitime Orientierung für alle Bereiche des christlichen Lebens. Die Kirche kann einzig auf dieser Grundlage frei handeln und darf sich keinen anderen Einflüssen oder Ansprüchen unterordnen oder gar Teil eines Staatsgefüges werden. Sie legitimiert niemals staatliche Gewalten und Diktaturen. Die verschiedenen Ämter der christlichen Gemeinschaft sind geprägt vom Dienst an der Gemeinde und nicht von Herrschaftsdenken. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche mit dem ihr durch Jesus Christus gegebenen Auftrag ist unverbrüchlich.

Mit diesen Bekenntnissätzen wurde die Barmer Theologische Erklärung zum Basisdokument der Bekennenden Kirche in der Gegnerschaft zur Reichskirche während der Nazi-Diktatur. Nach dem II. Weltkrieg gab sie der sich neu konstituierenden Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihre Richtung. Im ersten Artikel der Grundordnung der EKD von 1948 ist sie fest verankert.

„Die Barmer Theologische Erklärung ist ein protestantischer Schlüsseltext und auch heute eine hervorragende Quelle evangelischer Orientierung.“ (Altbischof Prof. Dr. Wolfgang Huber) In den vergangenen Jahrzehnten hat sie an vielfältigen Stellen ihre Strahlkraft entfaltet. Christinnen und Christen in der Friedens- und der Anti-Atom­kraftbewegung der 1980er Jahre beriefen sich auf die sechs Thesen. Ebenso die DDR-Kirchen in ihrem Bestreben, sich in einem atheistisch geprägten Staat kritisch einzumischen, wenn es z.B. um Wehrdienstverweigerung oder den Erhalt ihrer eigenen Handlungsfreiheit ging. Heute werden in vielen evangelischen Landeskirchen in Deutschland angehende Pfarrerinnen und Pfarrer auf die Barmer Theologische Erklärung ordiniert. In der weltweiten Ökumene bietet sie Ermutigung und Orientierung für Kirchen, die vor schwierigen Problemen stehen. Als ein Beispiel sei hier die Belhar-Erklärung der Niederländisch-Reformierten Missionskirche in Südafrika genannt, die sich 1986 gegen die Rassentrennung stellte. Die Verfasser sahen sich in einer ebenso bedrängten Lage wie die Bekennende Kirche 1934 und nahmen Inhalt und Aufbau der Barmer Theologischen Erklärung zum Vorbild ihres Bekenntnisses.

Was die Barmer Theologische Erklärung vermissen lässt, ist eine Stellungnahme gegen die Verfolgung der jüdischen Mitbürger. Diese fehlende „siebte These“, wie es Peter Beier (1989 -1996 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, EKiR) formulierte, wurde erst 1997 hinzugefügt: Auf Initiative der Gemarker Gemeinde und der EKiR wurde ein Teil des Grundstücks der Gemeinde an die jüdische Kultusgemeinde zum Bau einer neuen Synagoge übergeben. So stehen hier heute Kirche und Synagoge in trauter Nachbarschaft.

85 Jahre nach ihrer Verabschiedung ist die Barmer Theologische Erklärung Chance und Verpflichtung gleichermaßen - darauf verweist der letzte Satz der Ausstellung „Gelebte Reformation. Die Barmer Theologische Erklärung“ in der Gemarker Kirche: „Wer glaubt, übernimmt Verantwortung - auch heute.“ Christen und Christinnen haben die Aufgabe, ein wachsames Auge auf Kirche und Gesellschaft zu haben und sich einzumischen, wo es nötig wird. Die Barmer Thesen ermutigen zur Einmischung und zu Kritik angesichts der aktuellen Herausforderungen.

Mit Karl Barth, dem großen Schweizer Theologen und einem der Väter der Barmer Theologischen Erklärung, hoffen wir „ … dass der Ton, der dort angeschlagen worden ist, nun doch nicht ganz verhallt sein möge, und dass er vielleicht wieder einmal stark werden möchte.“ (Interview, 1967)

Sind Sie neugierig geworden? Dann besuchen Sie unsere Ausstellung „Gelebte Reformation. Die Barmer Theologische Erklärung“, Gemarker Kirche, Zwinglistraße 5. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 11 bis 17 Uhr; samstags 10 bis 14 Uhr.