Drogenpolitik „Nicht jeder Konsum ist krankhaft“

Ina Rath über Cannabis, die restriktive Politik und die Vorteile einer Legalisierung.

Ina Rath mit den Präventionskoffern zum Thema Cannabis. Rath setzt sich für eine andere Drogenpolitik ein.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Kanada hat Cannabis legalisiert - als zweiter Staat nach Uruguay. In einigen US-Staaten ist Cannabis ebenso legal, mit Einschränkungen auch in den Niederlanden und der Schweiz. Auch in Wuppertal setzen sich Menschen für die Entkriminalisierung von Cannabis ein – etwa Ina Rath, Geschäftsfrüherin der Beratungsstelle für Drogenprobleme e.V.

Frau Rath, Kanada hat Cannabis legalisiert. Ist das keine gefährliche Droge?

Ina Rath: Gefährlich ist zu pauschal. Die Gefahr einer Substanz hat auch damit zu tun, wie früh ich sie konsumiere. je früher, desto schädlicher ist das für das Gehirn, weil Drogen eben darauf wirken. Und das Gehirn ist erst mit 21 Jahren voll entwickelt. Deswegen ist vor allem der Jugendschutz relevant.

Welche Folgen kann Cannabis-Konsum haben?

Rath: Bei psychotischen Dispositionen kann eine Psychose entstehen – aber da ist die Frage nicht geklärt, was Auslöser, was Folge ist – also die Frage nach Henne und Ei. Dazu gibt es Menschen, die Antriebsschwierigkeiten entwickeln, die Dinge vernachlässigen und Aufgaben nicht erledigen.

Klingt nicht nach einem Rausch ohne Folgen.

Rath: Man muss das ins Verhältnis setzen. In Wuppertal gibt es drei Beratungsstellen für legale Drogen, zwei für illegale. Es gibt also mehr Bedarf für Probleme mit Alkohol. Aber es ist wie bei Alkohol, nicht jeder Konsum ist sucht- und krankhaft. Viele Cannabis-Konsumenten haben einen problemfreien Konsum. Jeder vierte Erwachsene hat statistisch gesehen Erfahrungen mit Cannabis. Wir hatten im vergangenen Jahr 931 Beratungsgespräche, auch, aber nicht nur zu Cannabis.

Was wären die Vorteile einer Legalisierung?

Rath: Wir plädieren mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband erst einmal für eine „intelligente Drogenpolitik“. Die aktuelle Politik hat nicht zum Erfolg geführt, das sieht man an den Zahlen. Die Gesellschaft hat ein anderes Verhältnis zu Cannabis als der Gesetzgeber. Eine Legalisierung würde für ein Ende der Stigmatisierung führen – denn anders als oft vermutet, wird jeder Cannabisbesitz verfolgt und landet im Führungszeugnis, hat also Konsequenzen. Dazu könnte der Staat die Qualität kontrollieren. Bisher wissen die Leute nicht, was sie überhaupt konsumieren. Und der Jugendschutz könnte besser kontrolliert werden, wenn es gesetzliche Altersgrenzen gibt wie bei Alkohol und Tabak.

Aber das verhindert keinen Konsum.

Rath: Richtig. Den gibt es immer. Es liegt in der Natur, den Rausch zu suchen. Das machen Menschen wie Tiere. Und es gehört zum Erwachsenwerden, das Jugendliche experimentieren. Das Problem ist, das wir nicht drüber sprechen. Worüber man nicht spricht, das bekommt einen zusätzlichen Reiz. Und es fehlen eben auch wichtige Informationen, wenn Substanzen stigmatisiert werden. Deswegen ist ein offener Diskurs wichtig, einer der auch eine Offenheit gegenüber einer Legalisierung beinhalten sollte.

Dabei sagen Gegner der Legalisierung, dass auch das fahren über rote Ampeln häufig vorkommt, aber nicht legalisiert wird.

Rath: Das ist ein Argument. Wir sollten alle Argumente hören, frei von Emotionen, die häufig den Diskurs belasten, und gemeinsam zu einer intelligenteren Drogenpolitik kommen.

Ist Cannabis denn die einzige Droge, mit der sie zu tun haben?

Rath: Nein. Der Konsum vom leistungssteigernden Drogen wie Kokain und Speed nimmt zu. Wie bei Alkohol und Cannabis: Das ist kein Phänomen an gesellschaftlichen Rändern. Ich kenne Fälle von Müttern, die aufputschende Substanzen nehmen, um ihren Alltag zu bewältigen. Die Belastungen im Alltag nehmen zu, die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit. Mit den Drogen geht das ertsmal gut, aber dann nimmt der Genuss ab und der Schaden nimmt zu: finanzielle Probleme, Streit in der Familie, Fokus auf die Drogen, immer längere Regenerationsphasen.